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Kürzlich war in der „Augsburger Allgemeinen Zeitung“ zu lesen: „Corona steigert Interesse an regionalen Produkten – Die Pandemie hat offenbar auch das Einkaufsverhalten der Menschen verändert“. Eine Tendenz, die wir hier am TZM als Unterstützer regionaler, saisonaler Lebensmittel begrüßen, denn sie entspricht unserer Grundhaltung – ob mit oder ohne Pandemie.
Mittlerweile gibt es sogar Studien, die belegen, dass eine regionale, saisonale Kost gesundheitsfördernd ist. Beispielsweise fanden dänische Forscher der Universität Kopenhagen im Jahr 2014 heraus, dass eine sogenannte New Nordic Diet (NND) bei übergewichtigen Personen zu einem Gewichtsverlust und einer Absenkung des Blutdrucks [1] führte. Auf dem Speiseplan der NND standen nur heimisches Obst und Gemüse wie Birnen, Äpfel und Beeren sowie Wurzelgemüse, Hülsenfrüchte und Kohl. Auch Vollkornprodukte sowie regional typische Pflanzenöle gehörten dazu.
Eine Auswertung der großen European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition (EPIC)-Studie aus dem Jahr 2018 zeigte mögliche gesundheitsfördernde Wirkungen einer regional orientierten Kost. Es ergab sich ein Trend zu weniger Schlaganfällen (bei Männern) und Herzinfarkten, je genauer sich die Teilnehmer an die für sie heimische, nordische Ernährungsweise hielten [2].
Doch wie komme ich in München an regionale Produkte, die am besten auch noch saisonal und von Bioqualität sind? Es ist gar nicht so einfach, sich im Supermarkt an der Gemüsetheke anhand der vielen unterschiedlichen Siegel, Logos und sonstigen Kennzeichnungen zu orientieren.
Daher möchten wir Ihnen heute ein landwirtschaftliches Projekt vorstellen, das München mit regionalem Biogemüse und -obst versorgt: die solidarische Landwirtschaft (SoLaWi) Auergarden.
Saisonale Lebensmittelvielfalt im Auergarden
Um einen persönlichen Eindruck und vor allem „Geschmack“ vom Auergarden zu bekommen, haben wir Schorsch und die SoLaWi in Au (Landkreis Freising) besucht. Der Träger der SoLaWi ist der gemeinnützige Verein „Auergarden e.V.“. Kurz wurde dieser Besuch schon im Blog „Regional, saisonal punktet: SoLaWi Auer Garden & Garten Onkel Anton“ erwähnt.
Das 0,7 Hektar große Gemüsefeld im Hopfenland Hallertau mit den zwei Folientunneln ist gar nicht so leicht zu finden. Liebevoll bezeichnet es Schorsch als „ein Inselbiotop zwischen den Hopfenstangen“. Aber als wir es endlich finden, sind wir schwer beeindruckt von der Vielfalt und der Pracht der Gemüsesorten, die dort angebaut werden. Nicht nur weil alle mühsam aus samenfestem Saatgut selbst gezogen werden. Das heißt, dass aus den Samen wieder neue Pflanzen gewonnen werden, die dieselben Eigenschaften wie die “Mutterpflanzen” haben. Keineswegs eine Selbstverständlichkeit in einer Welt, in der 75% des Saatguts von nur zehn Konzernen kontrolliert werden. Insbesondere erstaunte uns auch, dass wir sogar Gemüsearten wie Aubergine und Pak Choi fanden.
Was angebaut wird, entscheiden die Gärtner in Rücksprache mit den Mitgliedern. „Es wird auch immer wieder Neues ausprobiert“, erzählt uns Schorsch. Die Physalis beispielsweise wuchs im Hitzesommer 2018 sehr gut, dieses Jahr tut sie sich eher schwer. Ein neuer Versuch ist auch der „Baumspinat“ (rankender Malabar-Spinat, s. Bild), der nicht nur lecker schmeckt und viele wichtige Nährstoffe liefert, sondern auch noch wunderschön aussieht. Definitiv unser Tipp für den kleinen Stadtbalkon: dekorativ und nahrhaft zugleich.
Solidarisches Prinzip und Kosten
Das Prinzip des Auergarden ist ganz einfach: Für etwas „Mitanpacken“ (ein Tag pro Monat im Sommer) und einen monatlichen Beitrag erhält man einmal pro Woche einen Ernteanteil. Den Beitrag legt jedes Mitglied für die nächste Saison bei der Jahreshauptversammlung selbst fest – natürlich mit der Orientierung an einem Richtwert. Ziel ist es, jedem den Zugang zu frischem, regionalem Obst und Gemüse in höchster Bio-Qualität zu ermöglichen, unabhängig von seinen finanziellen Möglichkeiten.
Die Mitarbeit kann ebenso individuell gewählt werden, auf der Grundlage dessen, was jeder Einzelne gut kann oder besonders gerne macht. Der einen helfen eben lieber bei der Feldarbeit mit, andere reparieren lieber oder bauen etwas. Ebenso werden Leute gesucht, die die Homepage betreuen.
Sehr willkommen sind auch „Einmachkönig*innen“. Denn eine Wochenernte von 200 kg Tomaten, wie es in der Woche vor unserem Besuch der Fall war, kann nicht komplett auf die Ernteanteile verteilt werden. Dann müssen Einweck-Aktionen organisiert werden, um den Ernteüberschuss für den Winter zu konservieren. Das Sauerkrautmachen hingegen ist schon eine jährliche Tradition.
Das solidarische Prinzip greift sogar bei Ernteausfällen. Diese werden gemeinsam „ertragen“. Vernichtet zum Beispiel ein Unwetter mit Hagel einen Teil der Ernte, trägt hier kein einzelner Bauer als Produzent das Risiko, sondern die Gemeinschaft.
Anbau nach ökologischen Prinzipien
Der nachhaltige Anbau und der ganzheitliche Ansatz, mit dem hier Lebensmittel produziert werden, beeindrucken uns zutiefst. Der Gemüseanbau auf dem Feld erfolgt in Mischkulturen mit viel Handarbeit und minimalem Maschineneinsatz. Gedüngt wird hauptsächlich mit regional verfügbarer Schafwolle (s. Bild), die sich in der Erde durch biologische Abbaumechanismen zersetzt und so auf ganz natürliche Weise als Dünger dient. Damit der Kohlweißling nicht den ganzen Kohl „wegfrisst“, wird nicht gespritzt, sondern die Pflanzen werden kurzerhand abgedeckt (s. Bild).
Und spätestens im 1 Hektar großen Apfelgarten, dem „Ursprung“ des Auergarden mit 200 jungen Apfelbäumen aus 20 alten Apfelsorten, wird uns auch der Gemeinschaftssinn der SoLaWi veranschaulicht. Hier gibt es einen Grillplatz, einen Kochunterstand, eine Jurte zum Übernachten und zwei Komposttoiletten: ein dynamisches Öko- und Sozialsystem. Ein Mitglied stellt zur Apfelblüte seine Bienenvölker in den Apfelgarten. Es gibt Familienaktionen zum Kartoffel Ernten. Zwischen den Apfelbaumreihen und Beerensträuchern wurden in den letzten Jahren Hügelbeete für den Gemüseanbau angelegt. Als Ergänzung zum Kulturgemüse werden hier auch essbare Wild- und Heilkräuter, wie Vogelmiere, Melde und Nachtkerze gesammelt.
Ziel des SoLaWi Auergardens ist einerseits die regionale Selbstversorgung, aber auch die Förderung unabhängiger Lebensformen und der Biodiversität; die Betreiber wollen ein Bewusstsein schaffen für Naturschutz und selbst ausprobieren, welche Auswirkungen der Pflanzenbau auf Natur und Umwelt hat. Großgeschrieben werden außerdem auch Mitbestimmung, Transparenz, Gemeinschaft und Teilen.
Ernteausgabestellen des Auergarden
Der Auergarden hat zwei Ernteausgabestellen, die wöchentlich beliefert werden, eine in München und eine in Freising. Natürlich kann man auch direkt auf den Hof kommen, um seine Gemüsekiste abzuholen. Neben dem Ernteanteil erhalten die Mitglieder den wöchentlichen „Erntebrief“ mit einer Liste der aktuellen Produkte sowie Rezepten und den neuesten Hof-Nachrichten.
München:
Dachauerstr. 114 auf dem Kreativquartier, im Hof rechts; gleich neben dem Fair-Teiler von foodsharing
Ernteausgabe: Montags 17 bis 20 Uhr
Freising:
Es gibt eine Ernteausgabe in Freising in der Nähe des Bahnhofs. Die genaue Adresse wird nicht veröffentlicht, da der Raum unbewacht und offen ist.
Ernteausgabe: Montags ab 16 Uhr (spätere Abholung möglich)
Fazit
Gesundes Essen muss also weder teuer noch besonders exotisch sein. Unsere heimischen Nahrungsmittel aus biologischem Anbau, wie sie beispielsweise im Auergarden erzeugt werden, erfüllen alle Kriterien, um sich zeitgemäß und gesundheitsbewusst zu ernähren. Durch die Vermeidung von sterilem Saatgut, Pestiziden, Monokultur, langen Transportwegen und Plastikverpackungen beteiligen sich die Mitglieder aktiv am Umweltschutz. Und ganz nebenbei werden sie Teil einer Gemeinschaft, die miteinander arbeitet, Feste feiert, aber auch gemeinsam das Risiko für Ernteausfälle trägt. Für uns war es ein sehr bereichernder Besuch, bei dem wir viel über gemeinschaftliche Selbstversorgung gelernt haben, und der obendrein auch noch für kulinarische Genüsse gesorgt hat – die Himbeeren waren phantastisch, vielen Dank!
Sind Sie auf der Suche nach einer SoLaWi in Ihrer Nähe, werden Sie vielleicht hier fündig: https://www.solidarische-landwirtschaft.org/startseite/.
Quellen:
- Poulsen, S.K., et al., Health effect of the New Nordic Diet in adults with increased waist circumference: a 6-mo randomized controlled trial. The American Journal of Clinical Nutrition, 2013. 99(1): p. 35-45.
- Galbete, C., et al., Nordic diet, Mediterranean diet, and the risk of chronic diseases: the EPIC-Potsdam study. BMC Medicine, 2018. 16(1): p. 99.