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Die Familie leidet mit
12 % der Patientinnen und Patienten, die in Deutschland innerhalb eines Jahres eine Krebsdiagnose erhalten, haben minderjährige Kinder (1). Diese ca. 37.000 Mütter und Väter sind vor große Herausforderungen und Veränderungen gestellt, die stets auch immer die Familie und somit auch die Kinder betreffen. Während die erkrankten Elternteile häufig viel Unterstützung, Mitgefühl und Aufmerksamkeit erhalten, werden die Sorgen und Ängste der Kinder leicht übersehen – nicht selten aus dem Bedürfnis heraus, die Kinder schützen zu wollen. Doch bereits die ganz Kleinen haben ein feines Gespür dafür, wie es ihren engsten Bezugspersonen, die ja in den meisten Fällen die Eltern sind, geht. Bereits Babys im Alter von sechs Monaten sind in der Lage, emotionale Veränderungen ihrer Bezugspersonen zu erkennen und diese Gefühle zu spiegeln, wie in der Trauerforschung gezeigt werden konnte (2).
Dies verdeutlicht, dass durch die sensiblen Antennen der Kinder auch eine Krebsdiagnose, welche meist einen massiven Einschnitt im Leben der Erkrankten bedeutet, schon früh auch Auswirkungen auf das Befinden der Kinder hat. Knapp die Hälfte der Kinder, deren Eltern an Krebs erkranken, zeigt Verhaltensauffälligkeiten, die eine Intervention erfordern (3). Bei mehr als 30 % zeigen sich Angstsymptome, depressive Verhaltensweisen und psychosomatische Beschwerden (4). All dies verdeutlicht, dass auch Kinder spezifische Unterstützung und Hilfe im Umgang mit der Krebserkrankung eines Elternteils benötigen.
Eine offene Kommunikation über die Erkrankung und (auch das Wort „Krebs“) sind wichtig
Eine Krebs-Diagnose löst zunächst meist einen Schock aus, und die erkrankte Person selbst ist mit vielen Fragen und Unsicherheiten beschäftigt. Doch bereits in dieser Phase ist es wichtig, die Kinder altersgerecht über die Situation zu informieren, sodass sie die veränderten Verhaltensweisen und Gefühlszustände der Eltern einordnen können und das Gefühl von Vertrauen und Sicherheit nicht verlieren. Da Kinder im späten Kindergarten- aber auch im Grundschulalter die Welt noch aus einer sehr Ich-zentrierten Perspektive sehen, kommt es nicht selten vor, dass sie Schuldgefühle entwickeln und denken, die Situation sei durch ihr eigenes Verhalten ausgelöst worden – etwa, weil sie nicht gehorcht haben oder unordentlich waren. Solche Schuldfantasien belasten Kinder, und je länger diese Belastung andauert, desto schlimmer wird es für sie.
In dieser Phase ist eine offene Kommunikation von Seiten der Bezugspersonen essenziell, um solchen Schuldgefühlen keinen Raum zu geben und Angstzustände zu vermeiden. Die Dinge anzusprechen und die Krankheit beim Namen zu nennen, kann das Kind entlasten und ihm das Gefühl von Sicherheit und Verlässlichkeit in einer objektiv unsicheren Situation geben. Der Umfang an Informationen bezüglich der Krebserkrankung bemisst sich natürlich nach Alter und Entwicklungsstand des Kindes, dennoch sollten stets alle Informationen sachlich richtig sein und auch die Erkrankung als solche in jedem Alter als „Krebs“ benannt werden, um sie von anderen Erkrankungen abzugrenzen.
Alter und Entwicklungsstand beeinflussen die Reaktion der Kinder, aber auch den Umgang mit der Erkrankung
Der bereits erwähnte Schutzimpuls, Kinder nicht mit dem Thema Krebs belasten zu wollen, ist zwar nachvollziehbar, doch ist er gerade bei jüngeren Kindern häufig unbegründet. Für kleinere Kinder ist das Wort „Krebs“ in der Regel noch nicht mit negativen Assoziationen belastet wie für ältere Kinder oder Erwachsene, und somit können sie Worte wie Krebs, Chemotherapie oder Tumor generell unbefangen aufnehmen. Bei älteren Kindern oder Jugendlichen kann besonders die Diskrepanz zwischen den ihnen gewährten Informationen bezüglich der Krebserkrankung des Elternteils und der eigenen Recherche im Internet Probleme bereiten. Aus diesem Grund ist hier besonders auf eine intensive und offene Gesprächskultur innerhalb der Familie zu achten. Ein aufmerksamer und wacher Blick auf die Kinder und ihre Gefühle kann unnötige Belastungszustände der Kinder vermeiden.
Vorbereitung auf Veränderungen, aber auch feste Routinen sind besonders wichtig
Meist stellen sich im Rahmen einer Krebserkrankung Veränderungen bezüglich des Alltags, aber auch des Aussehens und Befindens der erkrankten Person, ein. In solchen Situationen ist es wichtig, die Kinder frühzeitig darauf vorzubereiten, um ihnen zu ermöglichen, sich auf die Situation einzustellen und trotzdem das Gefühl von Sicherheit und Stabilität zu bewahren. Das kann beispielsweise die Information anlässlich einer Chemotherapie sein, dass der Vater aufgrund der Behandlung die Haare verlieren oder häufiger müde sein wird. Zusätzlich ist es wichtig, eine gewisse Routine beizubehalten und gegebenenfalls neue Rituale zu etablieren.
Bewusst „krebsfreie Zonen“ zu schaffen, kann zusätzlich entlasten
Neben den erwähnten gewohnten oder neuen Ritualen, die Kindern Halt im Alltag geben, können auch festgelegte Zeiten, in denen es nicht um die Erkrankung geht, sondern in denen das gemeinsame Erleben im Fokus steht, eine Entlastung und Bereicherung für alle Familienangehörigen sein.
Denn auch wenn eine Krebserkrankung einiges verändert und Patientinnen und Patienten sowie ihre Familien häufig aus der Bahn wirft, brauchen besonders Kinder in dieser Situation das Gefühl von Vertrauen, Sicherheit und auch die Aufmerksamkeit der Eltern.
Was die Familiensprechstunde bietet?
Das Angebot der Familiensprechstunde richtet sich an Familien mit minderjährigen Kindern und einem krebskranken Elternteil. Die Begleitung umfasst die Beratung der Eltern aber auch die Begleitung der Kinder durch Einzelgespräche oder auch Gruppenangebote.
Die Beratung kann direkt ab Diagnosestellung erfolgen, aber auch zu einem späteren Zeitpunkt beginnen und erstreckt sich auf Wunsch über den gesamten Krankheitsverlauf. Innerhalb der Beratung erfahren Sie Unterstützung durch altersgerechte Krebsaufklärung der Kinder, Hilfe bei der Kommunikation innerhalb der Familie und allen Themen, die Sie und Ihre Familie zusätzlich im Rahmen der Krebserkrankung beschäftigen.
Die Beratung ist kostenlos und kann persönlich in Großhadern oder in der Innenstadt, telefonisch, per Video und auf Wunsch auch anonym stattfinden.
Krebsberatungsstelle lebensmut e. V. am CCC MünchenLMU
Campus Großhadern: Marchioninistraße 15, 81377 München
Campus Innenstadt: Pettenkoferstraße 8a, 80331 München (Patientenhaus am CCC München)
089 / 44 00 – 74918 – ccc.lebensmut-kbs@med.uni-muenchen.de – www.lebensmut.org
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Quellen:
- Robert Koch Institut, Zentrum für Krebsregisterdaten 2019: Krebs – Kurzbeiträge – Wie häufig sind Krebserkrankungen bei Eltern minderjähriger Kinder? (krebsdaten.de), eingesehen am 19.07.2023
- Kern, Tita / Rinder, Nicole / Rauch, Florian 2017: Wie Kinder trauern. Ein Buch zum Verstehen und Begleiten. München: Kösel Verlag.
- Trabert, Gerhard et al. 2007: Studie zur Situation krebskranker Eltern in Deutschland, Georg-Simon-Ohm Fachhochschule Nürnberg. Deutsches Ärzteblatt 104, Ausgabe 24, 15.06.2007, Seite B-1525-26; https://www.aerzteblatt.de/pdf.asp?id=56026