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In der Beratungsstelle werden wir oft nach Sinn und Einsetzbarkeit basischer Ernährung bzw. Übersäuerung gefragt. Daher widmen wir diesem Thema nun einen Blogartikel. Startet man gar wie Herr Doerfler (Beratungsstelle für Komplementärmedizin) eine Google-Anfrage zum Thema basische Ernährung, trifft man schnell auf Hiobsbotschaften wie „Übersäuerung macht dick“, „Übersäuerung führt zu Arteriosklerose und Bluthochdruck“ oder gar „Übersäuerung lockt Bakterien und Viren an“. Mancher Alternativmediziner schwört sogar auf die Theorie, dass hinter jeder Erkrankung eine Übersäuerung steckt – von Allergien bis hin zur Krebserkrankung. Eine basische Ernährung hingegen soll den Säure-Base-Haushalt des Körpers wieder ins Gleichgewicht bringen, die innere Balance herstellen und Krankheiten verhindern.
Hintergrund
Die Grundidee des Säuren-Basen-Gleichgewichts stammt vermutlich aus dem Frankreich des 17. Jahrhunderts. Ernährungsformen wie die „Haysche Trennkost“ oder die auf den Japaner Ishizuka zurückgehende „Makrobiotik“ basieren auf dieser Idee. Wirklich bekannt wurde die basische Ernährung aber erst durch den schwedischen Biochemiker Ragnar Berg (1873-1956), der erstmals Gemüse als Basen- und Fleisch als Säurebildner bezeichnete. Übrigens geht auch die Diät nach Bircher-Benner (Bircher-Müsli) auf diese Theorie zurück [1].
Hintergrund ist die Annahme, dass der Körper durch zu viele säurebildende Nahrungsmittel (z.B. Fleisch) in eine gesundheitsschädliche Übersäuerung rutscht. Damit der Körper nicht „übersäuert“, müsse der Anteil basenbildender Nahrungsmittel (z.B. Gemüse) gesteigert werden.
Aus medizinischer, evidenzbasierter Sicht ist der menschliche Organismus dann übersäuert, wenn der pH-Wert des Blutes unter den physiologischen Wert von 7,4± 0,5 sinkt [1]. Dieses Erscheinungsbild wird im Fachjargon als Azidose bezeichnet, während ein Basenüberschuss Alkalose genannt wird. Beide Zustände sind lebensbedrohlich und führen meist zu einer Einweisung ins Krankenhaus.
Damit das nicht nach jeder Fleischmahlzeit passiert, verfügt unser Körper über sehr feine Regulationsmechanismen. Der pH-Wert wird mittels Puffersubstanzen im Blut sowie mit Hilfe von Lunge, Niere und Leber innerhalb enger Grenzen konstant gehalten. Überschüssige Säure wird beispielsweise als Kohlendioxid über die Atmung oder mit dem Urin über die Nieren ausgeschieden. Durch diese Vorgänge verändert sich der pH-Wert des Urins. Er wird „sauer“. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass der Körper an sich bzw. das Blut „übersäuert“ ist, sondern ist lediglich Ausdruck einer funktionierenden Säureausscheidung. Anhänger der basischen Ernährung sprechen demnach völlig gesunden Menschen die Fähigkeit ab, ihren Säure-Basen-Haushalt über die herkömmlichen, oben genannten Wege zu regulieren.
Basische vs. saure Lebensmittel
Ob ein Lebensmittel zu den säure- oder basenbildenden Nahrungsmitteln gehört, entscheidet nicht der Geschmack. Beispielsweise entsteht beim Abbau der vor allem in Fleisch enthaltenen, schwefelhaltigen Aminosäuren Methionin und Cystein im Körper Schwefelsäure, die über den Urin ausgeschieden werden muss. Ausschlaggebend ist also die Umwandlung der Nährstoffe im Körper, bei der einige Lebensmittel Säure bilden, andere hingegen Basen.
In der Fachwelt wurde zur Einschätzung, ob ein Lebensmittel eher basisch oder sauer wirkt, der sogenannte PRAL-Wert (potential renal acidload bzw. potentielle renale Säurelast) eingeführt. Dieser ist ein Maß dafür, wie viele Säuren mit dem Urin ausgeschieden werden müssen [2]. Bei Lebensmitteln mit negativem PRAL-Wert werden vermehrt Basen gebildet, die Säurelast ist also gering. Ist der PRAL-Wert positiv, fallen vermehrt Säuren an und die Säurelast ist hoch. Zu den „sauren“ Nahrungsmitteln zählen zum Beispiel Fleisch, Fisch, Wurst, Ei, Käse, raffinierter Zucker und Alkohol. Mit einem PRAL-Wert von „0“ als neutral anzusehen sind Fette und Öle. Basenbildend bzw. alkalisch sind hingegen Obst, Gemüse, Salate, Kräuter, Fruchtsäfte, Nüsse, Soja- und Vollkorn-Produkte [2].
Demzufolge führt eine vegetarische im Vergleich zu einer proteinreichen Mischkost ähnlich der westlichen Ernährungsweise zu einer wesentlich geringeren Säureausscheidung über die Niere. Der pH-Wert des Urins ist bei Vegetariern höher, das bedeutet, er ist alkalischer [3] [4]. Dies spielt eine besondere Rolle bei der Vorbeugung von Harnsäure-, Calciumoxalat- und Cystinsteinen [5] [6], hat aber ansonsten keinen direkten, nachweisbaren Einfluss auf die Entstehung von Krankheiten. In Bezug auf Krebserkrankungen versucht die Wissenschaft momentan einen neuen therapeutischen Ansatz zu generieren, der von der Tatsache ausgeht, dass Tumore Säuren produzieren und damit ihre unmittelbare Umgebung ansäuern [7] [8] [9]. Dieser an sich vielversprechende Weg steckt aber noch in den Kinderschuhen und hat nichts mit der klassischen basischen Ernährung zu tun [10].
Fazit
Zusammenfassend ist unser heutiger Blog wieder ein Plädoyer für eine pflanzenbasierte, abwechslungsreiche Kost, die je nach Geschmack und Vorlieben mit tierischen Produkten maßvoll ergänzt werden kann, wobei Milchprodukte regelmäßig auf dem Speiseplan stehen sollten. Eine solche Ernährungsweise liefert nicht nur ausreichend Basenbildner und hält die Säurelast im Rahmen, sondern liefert automatisch auch viele positive Nährstoffe. Auf diese Weise wird zudem einer gesundheitsschädlichen, übermäßigen Aufnahme an Kalorien, Fett und Eiweiß vorgebeugt. Diese Form der Ernährung unterstützt das Immunsystem und den menschlichen Organismus auf optimale Weise und hält uns gesund und fit. Ganz nach dem Motto „Bunt ist gesund“ empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung dementsprechend, täglich zwei Portionen Obst (ca. 250 g) und drei Portionen Gemüse (ca. 400 g) zu verzehren [11].
Quellen:
[1] R. Siener, „Säure-Basen-Haushalt und Ernährung,“ Ernährungsumschau, 10/2011, pp. 562-568.
[2] T. Remer, F. Manz, „Potenial renal acid load of foods and its influence on urine pH,“ J Am Diet Assoc, Bd. 95, Nr. 7, pp. 791-795, 1995.
[3] T. Remer, „Influence of diet on acid-base balance,“ Semin Dial, pp. 221-226, 2000.
[4] R. Siener, A. Hesse, „The effect of a vegetarian and different omnivorous diets on urinary risk factors for uric acid stone formation,“ Eur J Nutr, pp. 332-337, 2003.
[5] ST. Reddy, CY Wang, K. Sakhaee et al. „Effect of low-carbohydrate high-protein diets on acid-base balance, stone-forming propensity, and calcium metabolism,“ Am J Kidney Dis, pp. 265-274, 2002.
[6] A. Hesse, HG. Tiselius, R. Siener, B. Hoppe, Urinary stones: Diagnosis, treatment, and prevention of recurrence, Basel: Karger, 2009.
[7] MC. Riberio, AS. Silva, KM. Bailey et al. „Buffer Therapy for Cancer,“ J Nutr Food Sci, Bd. 2, Nr. 6, 2013.
[8] A. Silva, JA. Yunes, RH. Gillies, RA Gatenby, „The Potential Role of Systemic Buffers in Reducing Intratumoral Extracellular pH and Acid-Mediated Invasion,“ Cancer Res, Bd. 6, Nr. 69, pp. 2677-2684, 2009.
[9] A. Ibrahim-Hashim, D. Abrahams, PM. Enriquez.Navas et al. „Tris-base buffer: a promising new inhibitor for cancer progression and metastasis,“ Cancer Med, Bd. 7, Nr. 6, pp. 1720-1729, 2017.
[10] C. Pilot, A. Mahipal, RJ. Gillies, „Buffer Therapy – Buffer Diet,“ J Nutr Food Sci, Bd. 8, Nr. 2, 2018.
[11] Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE), „DGE-Ernährungskreis – Ein Beispiel für eine vollwertige Lebensmittelauswahl,“ 2018. [Online]. Available: https://www.dge.de/ernaehrungspraxis/vollwertige-ernaehrung/ernaehrungskreis/. [Zugriff am 2018 Nov 07].
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