Alltagspraktische Achtsamkeit

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Voller Stolz schaue ich auf mein neues Hochbeet, endlich schieben sich die ersten Karottenpflänzchen durch die Erde. Behutsam jäte ich, um die kleinen Sprösslinge nicht mit auszureißen und anschließend noch sanft zu gießen. Ich kann die Hektik und den Alltagsstress, der mich sonst so im Griff hat, außen vorlassen und werde durch den achtsamen Umgang mit meinen Pflanzen auch mit mir ganz achtsam. Eine neue Erfahrung für mich, die sich sonst mit Entspannungsmethoden eher schwertut, zu schnell schalte ich den Kopf ein: was ich noch alles erledigen müsste – sofort oder besser eigentlich schon gestern.

Diese positive Wirkung meines „Gartelns“ beruht laut dem Neurowissenschaftler und Psychologen Stan Rodski, der zur achtsamen Wirkung von Hobbies geforscht hat, auf drei Elementen: der Wiederholung eines vertrauten Bewegungsablaufes, dem positiven Gefühl des Schöpfens eines wahrnehmbaren Ergebnisses und der Kontrolle Beginn und Ende bestimmen zu können [1]. Laut seiner Studien sind Hobbies wie Gärtnern, Stricken oder auch Puzzlebauen ein sehr guter Zugang zur achtsamen Lebensweise, die sehr einfach im Alltag umzusetzen ist.

Was ist Achtsamkeit?

Übungen zur Achtsamkeit, zählen neben Yoga oder autogenem Training zu den klassischen Methoden der Entspannungsverfahren, die ermöglichen das „psychische Wohlbefinden zu steigern, Bewältigungsfähigkeiten zu stärken, die Differenzierungsmöglichkeiten körperlicher Wahrnehmung sowie die generelle Lebensqualität (…) zu verbessern.“ [2].

Achtsamkeit bedeutet laut dem derzeitigen Dalai Lama, dass wir ganz bei unserem Tun verweilen, ohne uns ablenken zu lassen. Der Begriff der Achtsamkeit ist kein Phänomen der Neuzeit, sondern ein sehr altes Konzept. Die Wurzeln der Achtsamkeit liegen vor allem im Buddhismus, dort wird diese besondere Form der Achtsamkeit zur Meditation eingesetzt. Der Molekularbiologe Jon Kabat-Zinn gilt als Gründer der modernen Achtsamkeitspraxis. Er lehrte an der University of Massachusetts und entwickelte Ende der 1970er Jahre das medizinische Achtsamkeitstraining MBSR (Mindfulness-Based Stress Reduction), was soviel wie Stressbewältigung durch Achtsamkeit bedeutet.

Achtsamkeit für Krebspatienten

Dieses achtwöchige Training nach Kabat-Zinn ist in der psychoonkologischen Forschung am besten auf seine wissenschaftliche Wirksamkeit untersucht insbesondere auch auf seine einfache und gute Anwendbarkeit [3].

Es ist daher belegt, dass Achtsamkeitstraining „bei Krebspatienten Entspannung begünstigt, psychosoziale Aspekte der Lebensqualität verbessert, krankheitsbezogene Belastungen reduziert, (Rezidiv-) Angst, Fatigue, Schlafstörungen und krebsspezifische Folgeerkrankungen abschwächt sowie eine positive Veränderung immunologischer Funktionen“ [3] bewirkt.

Achtsamkeitseinheiten mit Atem-, Körper- und Meditationsübungen werden daher in vielen Reha-Einrichtungen vermittelt bzw. von Beratungsstellen oder Psycho-Onkologen empfohlen, um Patienten bei ihrer Genesung und Krankheitsbewältigung zu unterstützen. Sie haben zusätzlich einen „stabilisierenden Effekt zumal die Patienten erleben, dass sie selbst etwas für sich tun können und sich somit nicht so ohnmächtig und ausgeliefert fühlen“ [4].

Sicherlich gibt es auch in Ihrer Nähe die Möglichkeit, Kurse zur Achtsamkeit zu besuchen z. B. über eine Volkshochschule oder eine andere Bildungseinrichtung. Sie vermitteln eine gute Grundlage und bewirken oft, dass Achtsamkeit allmählich ein fester Bestandteil im Alltag werden kann.

Doch auch ohne einen Kurs kann allein der Versuch, sich alltäglichen Dingen achtsam zu widmen, ein erster Schritt sein, sich zu entschleunigen und Kraft zu tanken.

So werde ich in ein paar Wochen meine Karotten freudvoll ernten und sie achtsam genießen, mit voller Aufmerksamkeit, genussvoll kauend ohne Gedanken an die Herausforderungen des Alltags.

Vielleicht möchten Sie sich mir anschließen und auch eine tägliche „Portion“ Achtsamkeit genießen. Bei Beratungsbedarf zum Thema Achtsamkeit wenden Sie sich an die Krebsberatungsstelle des Tumorzentrum München.

Quellen:

  1. Gielas, A., Hobbys sind ein Zugang zur Achtsamkeit. Psychologie heute, 2018.
  2. Lewis, E.J.S., D. M., Handbook of Psychotherapy in Cancer Care. 2011, West Sussex: John Wiley & Sons.
  3. Mehnert, A., Koch, U., Handbuch der Psychoonkologie. 2016, Göttingen: Hogrefe Verlag GmbH & Co.
  4. Dorfmüller M., D.H., Psychoonkologie Diagnostik-Methoden-Therapie. 2013, München: Urban & Fischer.

1 Kommentar zu „Alltagspraktische Achtsamkeit“

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