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Wissen Sie eigentlich, was Sie an Ihrem Atem haben? Vor allem brauchen wir ihn, um zu leben. Jede einzelne Zelle ist davon abhängig, dass wir atmen. Aber zudem ist er ein Instrument, mit dem wir uns jederzeit mit unserer inneren Kraft verbinden können und nicht zuletzt, um uns zu entspannen. Wir atmen von der Geburt bis zum Tod, oft so mühelos, dass es uns gar nicht auffällt. Wenn Sie diesen Beitrag lesen, können Sie ja mal auf Ihren Atem achten. Wie atmen Sie gerade? Tief oder flach? Kurz und schnell oder ruhig? Entsteht in Ihrem Atemzyklus eine Pause oder schließt sich Einatmen an Ausatmen an Einatmen? Falls Sie eine Pause bemerken: wo ist sie denn? Nach dem Einatmen, nach dem Ausatmen oder irgendwann zwischendrin? Und wo überall spüren Sie Ihre Atembewegung?
Bewusst atmen
Möglich, dass Sie so noch nie auf Ihren Atem geschaut haben. Vielleicht verschwenden Sie nur dann einen Gedanken an ihn, wenn Sie versuchen, mit FFP2-Maske ein paar Schritte zu laufen und die Luft knapp wird. Oder wenn Sie in den Bergen wandern. Oder wenn Sie im Zusammenhang mit einer Krebserkrankung befürchten, dass Sie eines Tages vielleicht keine Luft mehr bekommen könnten. Möglicherweise kommen Sie zuerst auch durcheinander mit dem Atmen, wenn Sie es bisher als automatischen Vorgang erlebt haben und nun auf einmal darauf achten – das kann irritieren. Das macht nichts. Bleiben Sie dabei, immer mal wieder auf dieses kostbare Instrument zu achten. Wer bewusst und frei atmet, ist mit einer wichtigen Kraftquelle verbunden.
Atemübung: Gähnen
Der Atem zeigt oft sprichwörtlich, wie eine Situation gerade ist. Manchmal bleibt uns die Luft weg, stockt uns der Atem, halten wir die Luft an. Aber manchmal, beispielsweise, wenn wir seufzen oder gähnen, befreit sich der Atem auch und erfrischt uns. Auch das in der Atemarbeit sogenannte „Tönen[1]“ führt dazu, dass wir uns von verbrauchter Luft, die in der Lunge stehengeblieben ist, befreien. Oftmals beginnt das mit einem herzhaften Gähnen. Und so ist das Gähnen auch meine Lieblingsatemübung. Versuchen Sie es doch einmal: Öffnen Sie Ihren Mund weit, noch weiter – und tönen Sie ein A. Der Atem fließt durch die Nase und dann tönen Sie nochmal ein A. Wiederholen Sie die Übung gerne einige Male. Na? Haben Sie gegähnt? Wenn nicht, dann klappt es vielleicht so: Sie öffnen Ihren Mund so weit wie möglich und ziehen den Atem scharf gegen das Zäpfchen. Auch ausgiebiges Dehnen und Räkeln hilft, besonders, wenn wir dabei Schultern und Nacken lockern.
[1] von Tönen sprechen wir in der Atemarbeit im Gegensatz zum Singen, wenn auf das Ausatmen ein beliebiger Ton gelegt wird und weder Melodie noch Rhythmus vorgegeben werden.
Atmen und Psyche hängen zusammen
Der Atem zeigt, was gerade ist. Aber manchmal zeigt der Atem auch, was war. Sowohl die aktuelle körperliche Situation, Spannungen, Schmerzen oder auch Lust, bilden sich im Atemmuster ab. Auch die seelische Verfassung findet ihren Niederschlag. Erinnern Sie sich, wie sie geatmet haben, als Ihnen die schwere Diagnose Krebs mitgeteilt wurde? Haben Sie vielleicht die Luft angehalten? Schreck, Angst, aber auch Erleichterung zeigt sich im Atem. Wenn es nicht gelingt, sich wieder zu erholen und zu entspannen, atmen die Betroffenen auch in scheinbaren Ruhesituationen so, als wären sie gerade in Gefahr. Situationen, die eigentlich schon vergangen sind, beherrschen weiter das Atemmuster und so behält Vergangenes seine Macht. Das Atemmuster, eigentlich fließend und immer neu, gerinnt. Dann ist ein Teufelskreis entstanden: eine Reaktion auf eine beängstigende Situation zieht einen stockenden, flachen Atem nach sich mit einem Schwerpunkt auf dem Einatmen.
Vom Stress lösen durch Atmen
Dieses Atemmuster bewirkt eine Ausschüttung von Stresshormonen, sodass wir die Auslösesituation nicht hinter uns lassen, sondern ständig erneuern. Wohl denjenigen, die wissen, wie sie aus dem Teufelskreis wieder herausfinden. Eigentlich ist das ganz einfach. Voraussetzung ist, überhaupt die eigene Stressreaktion wahrzunehmen. Ist das geschafft, müssen Sie nur die Übungen machen, die oben beschrieben sind: Dehnen und Räkeln, dafür sorgen, dass Sie gähnen können, durch die Nase einatmen und möglichst vollständig durch den Mund ausatmen, ganz so, als könnten Sie Ihre Sorgen wegblasen. Und wenn Sie das einige Zeit gemacht haben stellen Sie fest: die Angst wird leichter. Die Sorgen sind nicht wie weggeblasen, aber Sie werden nicht mehr von ihnen beherrscht.
Die Welt des Atmens
Wer sich auf den Weg des Atems begibt, dem erschließt sich eine ganze Welt. Ganz allein und nur mit Gähnen und Räkeln sind allerdings ernstere Probleme oft nicht zu bewältigen. Auch Heilung von einer Krebserkrankung ist keinesfalls zu erwarten. Deshalb hier ein paar Hinweise, wo Sie Unterstützung finden können:
- Ich habe vom frei fließenden Atem gesprochen. Gruppenangebote und Einzelbehandlungen finden Sie beispielsweise auf der Website vom Atemhaus in München (https://atemhaus.de/) oder vom Berufsverband Atem in Berlin (https://bvatem.de/).
- Mit dem Atem arbeiten auch Qi Gong und Yoga. Probieren Sie aus, was Ihnen mehr entspricht: die Arbeit mit dem frei fließenden Atem oder das Erlernen von Atemtechniken, wie sie im Yoga verwendet werden.
- Zu empfehlen ist auch das Übungsbuch von Ilse Middendorf und Lucie Deinzer: Der erfahrbare Atem. Eine Atemlehre. Dieses Buch enthält 2 Übungs-CDs. Mehr über den Atem lesen können Sie in dem Buch von Irmela Halstenbach: Atem holen aus der Tiefe: Texte 1999 bis 2008.
Am Ende müssen Sie aber selbst atmen. Und die gute Nachricht ist: Sie können es.
Infos zu Gastautorin Frau Malanowski:
Psycho-Onkologin (DKG) am LMU Klinikum, Campus Großhadern und systemische Paar- und Familientherapeutin (dgsf)
Atemtherapeutin seit 2001, ausgebildet im Atemhaus München
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