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Das neue Coronavirus SARS-CoV-2 beeinflusst fast alle Lebensbereiche. Neben dem Infektionsgeschehen hat es auch indirekte Auswirkungen auf die Gesundheit des Menschen. So sorgten die Pandemie und die damit verbundenen Ausgangs- bzw. Kontaktbeschränkungen bei vielen Leuten für mehr Kilos auf der Waage. Zu dieser Erkenntnis kam das Robert-Koch-Institut (RKI) in ihrer Studie Gesundheit in Deutschland aktuell (GEDA 2019/2020-EHIS) [1]. Durchschnittlich 1,1 kg wogen die Deutschen 2020 mehr als im Vergleich zum Vorjahr.
Dieser Gewichtsanstieg bringt viele Menschen dazu sich mit dem Thema auseinander zu setzen. Dabei fragen Sie sich vielleicht, ab wann wiege ich denn „zu viel“, ab wann und vor allem wie sollte ich gegensteuern. Um das einschätzen zu können, müssen wir zunächst ein paar Begriffe definieren.
Begriffserklärungen
Um anhand des Körpergewichts und der Körpergröße zwischen Unter-, Normal- und Übergewicht bzw. Adipositas (medizinisch: starkes Übergewicht) zu unterscheiden (s. Tabelle), wird von Fachleuten meist der Body Mass Index (BMI) herangezogen. Er berechnet sich wie folgt:
Formel: BMI = Gewicht [kg] : Körpergröße2 [m]
Beispiel: 75 (kg) : 1,67 (m)² = 75 : 2,8 = 26,8
Tabelle: Einteilung der Gewichtsklassen nach Body Mass Index (BMI)
Gewichtsklasse | BMI [kg/m2] |
Untergewicht | < 18,5 |
Normalgewicht | 18,5 – 24,9 |
Übergewicht | 25 – 29,9 |
Adipositas | ≥ 30 |
Zusammenhang Übergewicht und Gesundheit
Übergewicht, insbesondere Adipositas (starkes Übergewicht), konnte bereits vor einigen Jahren als Risikofaktor für verschiedene Erkrankungen identifiziert werden: darunter beispielsweise Bluthochdruck, Diabetes mellitus Typ II oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Doch in den letzten Jahren wurde ein „Zuviel an Gewicht“ auch immer deutlicher mit dem Auftreten von Tumorerkrankungen in Verbindung gebracht. Besonders starkes Übergewicht gilt als Risikofaktor für Krebserkrankungen von Dickdarm und Enddarm, Bauchspeicheldrüse, Speiseröhre (bestimmte Formen), Leber, Gallenblase, Eierstöcke, Gebärmutterschleimhaut, Prostata (fortgeschrittene Krankheitsstadien), Brust (nach der Menopause) [2].
Daraus erschließt sich, dass das Anstreben eines Normalgewichts für diese Krebsarten ein wichtiger Präventionsfaktor ist.
Unabhängig vom Körpergewicht erhöht sich mit steigendem Bauch- bzw. Taillenumfang das Risiko für Krebserkrankungen der Gebärmutterschleimhaut, von Dick- und Enddarm sowie der Brust (nach der Menopause).
Zusammenhang Übergewicht und bestehende Krebserkrankung
Viele Untersuchungen zeigten auch, dass (starkes) Übergewicht die Prognose bei bestehenden Krebserkrankungen verschlechtern kann. Eine kürzlich veröffentlichte Studie hat dies für die meisten Krebsarten bestätigt [3]. Ausnahmen waren Nieren-, Lungen- sowie Hautkrebs.
Daraus sollte nicht direkt geschlussfolgert werden, dass übergewichtige Krebspatienten generell abnehmen sollten. Eine Krebserkrankung kann auch mit einem unbeabsichtigten Gewichtsverlust einhergehen. Es kommt aber auch vor, dass im Verlauf der Krebserkrankung bzw. der Therapie das Körpergewicht ungewollt ansteigt und Übergewicht entsteht oder verstärkt wird. Dies sollte möglichst vermieden werden.
Empfehlungen
Was tun bei Normalgewicht und Krebs?
Wenn Sie ein normales Gewicht (s. Tabelle) haben, dann halten Sie es. Seien Sie „so schlank wie möglich innerhalb des Normalgewichtsbereichs, dies rät der World Cancer Research Fund (WCRF) zur Vorbeugung von Tumorerkrankungen [2]. Ein normales Gewicht bzw. eine Verringerung von Übergewicht kann zudem der Entstehung von weiteren chronischen Erkrankungen (z.B. Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes) vorbeugen.
Auch wenn Sie nicht abnehmen, sondern lediglich Ihr Gewicht stabil halten wollen oder Unterstützung bei Nebenwirkungen der Tumortherapie suchen, können Sie als Krebspatient jederzeit eine Ernährungsberatung erhalten.
Was tun bei leichtem Übergewicht und Krebs?
Bei leichtem bis mäßigem Übergewicht (BMI 25 – 29,9 kg/m²) kann eine Gewichtsabnahme in bestimmten Fällen sinnvoll sein. Beispielsweise bei Übergewicht vom „Apfeltyp“ (Fettansammlung vor allem im Bauchbereich) oder wenn neben der Krebserkrankung weitere Erkrankungen bzw. Risikofaktoren wie Bluthochdruck oder Typ 2 Diabetes vorliegen (Deutsche Adipositas Gesellschaft – DAG).
Was tun bei starkem Übergewicht und Krebs?
Bei Adipositas, also ab einem BMI von 30 kg/m², wird normalerweise eine Gewichtsabnahme empfohlen. Allerdings sollten betroffene Krebspatienten dies mit Ihrem behandelnden Arzt absprechen. Wenn keine ungewollte Gewichtsabnahme, die durch die Krebserkrankung bedingt ist, und keine anderen gesundheitlichen Gegenanzeigen bestehen, spricht nichts dagegen, dass Sie abnehmen. Entscheidend ist dabei immer Ihre individuelle Situation und natürlich ob Sie selbst eine Gewichtsabnahme wünschen.
Unter Chemotherapie sollte Sie als Patient versuchen das Gewicht konstant zu halten. Hier kommt es aufgrund von therapiebedingten Nebenwirkungen von Haus aus häufig zu einer unbeabsichtigten Gewichtsabnahme. Eine Diät wäre nur eine zusätzliche Belastung.
Bei bereits aufgetretenen Metastasen ist von einer Gewichtsabnahme aus medizinischer Sicht eher abzuraten. Eine chronische Krebserkrankung mit Metastasen zählt zu den zehrenden Erkrankungen. Daher sollte nicht zusätzlich versucht werden, Gewicht zu reduzieren.
Sie sehen, jeder Patient muss individuell je nach persönlicher und medizinischer Situation entscheiden, was für ihn das Beste ist. Daher empfehlen wir insbesondere im Zusammenhang mit einer Tumorerkrankung zu einer professionellen Unterstützung durch qualifizierte Ernährungsberater.
Praktische Tipps für alle Tumorpatientinnen und -Patienten mit Übergewicht:
- Reduzieren Sie Lebensmittel, die eine Gewichtszunahme begünstigen: Süßes Backwaren, Süßigkeiten, Softdrinks, Alkohol
- Achten Sie auf Ihren Taillenumfang: Wenn Sie einen erhöhten Taillenumfang (Frauen ≥ 88 cm, Männer ≥ 102 cm) haben, dann sollten Sie versuchen einer weiteren Erhöhung entgegenzusteuern. Achten Sie gerade bei Normalgewicht oder bei nur mäßigem Übergewicht (BMI 25 – 29,9 kg/m²) auf Ihren Taillenumfang.
- Suchen Sie sich eine professionelle Betreuung: Die Gewichtsabnahme sollte auf der Grundlage einer individuellen Ernährungsempfehlung durch qualifizierte Fachkräfte erfolgen (Ernährungsmediziner/innen, Ernährungsberater/innen, Ärztinnen, Ärzte).
- Setzen Sie sich realistische Ziele: maximal 5-10 % des Ausgangsgewichts. Als Krebspatient sollten Sie nur eine moderate Gewichtsabnahme (maximal 2 kg pro Monat) anstreben, auch wenn Sie damit noch kein Normalgewicht erreichen.
- Essen Sie eine ausgewogene Mischkost mit mindestens 1200 kcal/Tag. Eine Ernährung mit weniger als 1200 kcal/Tag kann für Krebspatienten nicht empfohlen werden.
- Die grundlegenden Empfehlungen zur gesunden Ernährung sind auch hier gültig: s. die 10 Regeln der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE)
- Versuchen Sie sich – im Rahmen Ihrer Möglichkeiten – regelmäßig körperlich zu bewegen. Günstig wären 5 x 30 min pro Woche. Art und Umfang Ihrer körperlichen Bewegung sollten Sie vorher mit Ihrem behandelnden Arzt absprechen.
- Keine Radikaldiäten, keine unkontrollierte Gewichtsreduktion: Von einseitigen Diäten und sehr kalorienarmen Ernährungsformen ist unbedingt abzuraten. Hier besteht die Gefahr einer drastischen Gewichtsabnahme sowie einer Nährstoffunterversorgung. Auch die Auswirkung auf die Tumorerkrankung ist nicht abzuschätzen. Von kohlenhydratarmen bzw. ketogenen Diäten ist ebenso abzuraten. Ein Nutzen konnte wissenschaftlich nicht bewiesen werden. Dafür leiden nicht wenige Patienten an negativen Auswirkungen einer solchen Kostform, wie körperlicher Abgeschlagenheit und einer Beeinträchtigung der Lebensqualität.
Das Thema Gewicht bzw. Übergewicht ist schon im normalen Alltag für manche ein leidvolles Thema. Im Zusammenhang mit einer Krebserkrankung bekommt es nochmals eine neue Dynamik. Daher scheuen Sie sich nicht, sich professionelle Unterstützung für dieses Thema zu holen.
Quellen:
- Robert Koch-Insitut (RKI). Die gesundheitliche Lage in Deutschland in der Anfangsphase der COVID-19-Pandemie. Zeitliche Entwicklung ausgewählter Indikatoren der Studie GEDA 2019/2020-EHIS. Journal of Health Monitoring 2020; 5.
- World Cancer Research Fund (WCRF). Diet, Nutrition, Physical Activity and Cancer: a Global Perspective. In. 2018.
- Petrelli F, Cortellini A, Indini A et al. Association of Obesity With Survival Outcomes in Patients With Cancer: A Systematic Review and Meta-analysis. JAMA Network Open 2021; 4: e213520-e213520.
Ich war schon immer sehr schlank und habe gerade nach diversen OPs ein ganz anderes Problem: Untergewicht. Das oft empfohlene Fresubin besteht v.a. aus Glucosesirup, nicht so sympathisch. Tipps für gesundes Zunehmen wären auch interessant für viele Krebspatienten.
Herzliche Grüße,
Nikola
Liebe Frau S.,
vielen Dank für Ihren Kommentar. Viele Patienten mit einer Krebserkrankung haben ähnliche Probleme wie Sie. Auf folgenden Seiten im Internet finden Sie Tipps, Rezepte und Informationen dazu: https://www.ernaehrung-krebs-tzm.de/ernaehrung-krebs.html oder https://www.was-essen-bei-krebs.de/ . Gerne können Sie sich aber auch bei uns für eine persönliche Ernährungsberatung (geht auch telefonisch oder per Email) melden: Tel.: 089/4400-53344 oder ernaehrung-tzm@med.uni-muenchen.de
Zu Fresubin & Co. ist anzumerken, dass da zwar Glukosesirup enthalten ist, aber auch sehr viele Vitamine, Mineralstoffe und manchmal sogar Ballaststoffe. Diese Produkte sind in Ihrem Fall als Ergänzung zu einer gesunden Ernährung zu verstehen. Sie sollen ein zusätzliches Plus an Kalorien und Nährstoffen liefern. In flüssiger Form sind Kalorien oft leichter aufzunehmen. Außerdem geht man davon aus, dass diese Produkte nur über einen begrenzten Zeitraum und nicht im Übermaß aufgenommen werden. In sofern ist das Glukosesirup absolut in Ordnung.
Ein kleiner Tipp noch: Es gibt von den meisten Firmen Trinknahrungen oder Pulver mit neutralem Geschmack. Diese können in Speisen mit eingerührt werden. Vielleicht wäre das etwas für Sie?!? Herzliche Grüße Eva Kerschbaum
Ich schließe mich Nikola an: gesundes und systematisches Zunehmen stellt in vielfacher Hinsicht eine hohe Herausforderung dar!
Das Zunehmen ist ein sehr individueller Prozess, der einer intensiven und kontinuierlichen Begleitung bedarf.
Nach Erkrankung der Bauchspeicheldrüse, whipple OP 11-2019 und anschließender Chemotherapie hatte ich extrem abgenommen, im Sommer 2020 wog ich noch 45kg bei 170cm Körpergröße, Ausgangs Gewicht war 65kg . Dieser Prozess war mit allen seinen verbundenen Begleiterscheinungen sehr beängstigend. Meine Verdauung musste sich neu regulieren und ich musste herausfinden, was ich gut vertragen konnte. Auf Fresubin habe ich mit massivem Durchfall reagiert und es daraufhin abgesetzt. Da ich immer Appetit hatte, habe ich eine künstliche Ernährung abgelehnt. Ab Weihnachten 2019 habe ich täglich frisch gekocht.
Es geht beim Essen jedoch noch um mehr. Alle damit verbundenen Tätigkeiten von der Speiseplanung, dem Einkauf, bis zum spülen sind zu koordinieren, und dies alles ist neben den anderen Terminen unter einen Hut zu bringen. Wer in dieser Situation alleine lebt und keine Freunde hat, ist schlimm dran.
Mahlzeiten strukturieren den Tag und erfüllen soziale Funktionen. Dies alles stand 2020 bis heute unter Corona/Bedingungen.
Täglich frisch Kochen, essen und Bewegung, war im Jahr 2020 meine “UberLebensaufgabe”. Inzwischen habe ich mit 58kg den BMI erreicht.
Geholfen hat mit in dieser Zeit mein Ehemann, Nachbarn, ein Freund mit vergleichbarer Erkrankung und Erfahrungen, der als Vertrauter und Pate gewirkt hat, und meine Qualifikation als Hauswirtschaftsmeisterin. Ich habe in dieser Zeit ein Tagebuch mit allen Speisen geführt und für mich ein persönliches Kochbuch geschrieben.
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