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Dem aufmerksamen Begleiter unseres Blogs ist wahrscheinlich nicht entgangen, dass Cannabis schon einmal Themenschwerpunkt eines TZM-Blogbeitrags war (s. Hanf (Cannabis sativa L.)). Der Leser wurde darin auch mit dem Begriff Cannabidiol (CBD) bekannt gemacht.
CBD fand im Laufe des vergangenen Jahres sowohl in den Medien als auch in wissenschaftlichen Veröffentlichungen zunehmend Beachtung. Hintergrund für dieses gestiegene Interesse ist neben den bisher bekannten bzw. erhofften medizinischen Effekten wie Schmerzlinderung, auch die Tatsache, dass CBD-haltige Produkte als Nahrungsergänzungsmittel (z.B. CBD-Öl) unproblematisch freiverkäuflich sind. Zudem beeinflussen sie die Psyche nicht negativ und machen auch nicht abhängig, wie das bei einigen anderen Cannabissorten der Fall sein kann.
Daher wollen wir mit diesem Blogbeitrag das CBD einmal genauer unter die Lupe nehmen.
Um dem noch recht strittigen und umfassenden Thema CBD in der Medizin ausreichend gerecht zu werden, benötigen wir mehr Raum als üblich; deshalb teilen wir diesen Blog in zwei Teile auf.
Rückblick
Wie im Cannabis- Blogartikel vom März 2017 beschrieben, ist CBD ein natürlicher Pflanzenbestandteil innerhalb der Familie der Hanfgewächse (Cannabis sativa bzw. Cannabis indica). CBD gehört mit dem potentiell euphorisierenden und abhängig machenden Delta-9-Tetrahydrocannabinol (THC) zu den medizinisch wichtigsten Cannabinoiden. Auch andere Cannabinoide finden zunehmend Beachtung in der Medizin (1, 2).
CBD: Wie wirkt es (beim Menschen)?
Grundsätzlich werden die unterschiedlichen Wirkungen von Cannabis auf eine Regulierung von sogenannten Cannabinoid-Rezeptoren (CB-1 und CB-2) zurückgeführt. Das sind Bindungsstellen auf Körperzellen. CB-1 Rezeptoren finden sich auf vielen Nervenzellen und werden in erster Linie von THC beeinflusst, CB-2 Rezeptoren hingegen sind vor allen auf Zellen der Immunabwehr lokalisiert und werden durch CBD reguliert [3, 4].
Nach wie vor ist nicht völlig erforscht, was an den Cannabisrezeptoren genau geschieht. Was wir jedoch wissen, ist, dass CBD beispielsweise den Natrium – Kalzium Austausch in den Zellen beeinflusst und damit den Gesamtkalziumgehalt innerhalb der Zellen (5). Die veränderte Kalziumkonzentration wiederum reguliert die Steuerung wichtiger Zellfunktionen.
Neueste Forschungsergebnisse weisen darüber hinaus auf sogenannte „G-Protein gekoppelte Rezeptoreigenschaften“ von CBD hin. G-Protein gekoppelte Rezeptoren sind Bindungsstellen auf der Zellwand, über welche das CBD die Zellen je nach Bedarf anregt oder hemmt (6, 7).
Bekannt ist mittlerweile, dass CBD beim Menschen unter anderem folgende Effekte hervorrufen kann:
Schmerzhemmung
- CBD (meist in Kombination mit THC,) kann neuropathische Schmerzen (Nervenschmerzen) lindern, selbst wenn die Wirkung nicht sehr ausgeprägt ist (8).
- Eine ähnlich moderate Schmerzlinderung wurde auch bei Schmerzen mit anderer Ursache (etwa nach Verletzungen) nachgewiesen (9, 10, 11).
Neurologische Störungen und Erkrankungen
Die mögliche Linderung einer Epilepsieerkrankung durch CBD ist schon lange bekannt.
- Eine Übersichtsarbeit von 2018 kam zu dem Schluss, dass CBD epileptische Symptome reduzieren kann. Allerdings ist noch nicht bekannt, ob es sich dabei um Zusatzeffekte einer antiepileptischen Behandlung handelt, oder ob CBD auch alleine einzelne Formen von Epilepsie verbessern kann (12).
- Ganz aktuell wurde insbesondere ein sehr guter Effekt von CBD bei schweren kindlichen Epilepsien nachgewiesen. Die Wirksamkeit entspricht derjenigen der etablierten Therapien. Zudem wird die Verträglichkeit von CBD als insgesamt gut beurteilt (13).
CBD könnte in Zukunft auch eine Rolle in der Behandlung der neurodegenerativen Parkinson-Erkrankung zur Anwendung kommen:
- Wahrscheinlich hat CBD bei Parkinson-Erkrankung jedoch eher eine schützende bzw. vorbeugende als heilende Wirkung (14). Denkbar wäre daher die Einnahme in einem sehr frühen Erkrankungsstadium, um den Verlauf möglichst zu verlangsamen.
- Nachweislich eindeutig ist die Verbesserung der allgemeinen Lebensqualität von Parkinson-Patienten, was womöglich auf die Linderung von Begleitsymptomen wie Unruhe, Schlafstörungen oder Ängste zurückzuführen ist (15).
Patienten mit Multipler Sklerose können schon seit längerem ein CBD-THC haltiges Medikament verschrieben bekommen:
- Relativ aktuelle Daten bestätigen die positive Auswirkung von Cannabis auf schmerzhaft erhöhte Muskelspannung, auf die Lebensqualität, auf die alltägliche Leistungsfähigkeit und auf Harnwegssymptome bei multipler Sklerose (16).
Neuropsychiatrische Störungen
- Cannabidiol ist möglicherweise geeignet, jungen Patienten mit Störungen aus dem Autismusbereich Linderung zu verschaffen (17).
- Darüber hinaus kann CBD Patienten bei der Überwindung einer posttraumatischen Stressreaktion unterstützen (18).
- CBD zeigt offenbar auch positive Effekte bei Psychosen/Schizophrenie, akuten Angstzuständen im Rahmen sozialer Phobien und lindert Entzugssymptome bei Rauchern und Konsumenten von THC-haltigem Cannabis (19, 20).
Entzündungshemmung
- Möglicherweise vermag CBD die entzündliche Darmerkrankung Morbus Crohn zu verbessern. Die Studienlage hierzu ist jedoch noch sehr unzulänglich (21). Das Gleiche gilt für die aktive Form der ebenso entzündlichen Colitis ulcerosa (22).
CBD gemeinsam mit THC
- Last but not least vermag CBD unerwünschte Nebenwirkungen wie Angstzustände unter einer THC- haltigen Cannabiseinnahme abzuschwächen (23).
Zwischenbilanz und Ausblick
Wie wir gesehen haben, kann CBD möglicherweise eine ganze Reihe von medizinischen Problemen lindern. Im Vergleich zu den Erkenntnissen aus der Grundlagenforschung sind die wirklich „harten Fakten“ aus großen, unabhängigen und therapievergleichenden Humanstudien jedoch noch sehr spärlich gesät. Da CBD bei vorsichtiger individueller Dosierung meistens gut vertragen wird, ist es durchaus naheliegend, dass Patienten im Einzelfall z.B. zu einem CBD-Öl greifen. Die Einnahme sollte jedoch stets von einem gut informierten und erfahrenen Behandler angeleitet werden.
Viele Leser dieses Blogs fragen sich nun sicherlich, wo denn die Hinweise zu CBD im Rahmen einer Krebserkrankung bleiben. Auf dieses spezielle Thema und einige weitere Aspekte wie Dosierung, rechtliche Fragen oder Produktwahl gehen wir im Teil 2 dieses Blogbeitrags ein, den Sie nächste Woche an dieser Stelle lesen können.
Quellen:
[1] National Center for Biotechnology Information. PubChem Compound Database; CID=11601669, https://pubchem.ncbi.nlm.nih.gov/compound/11601669 (accessed Jan. 3, 2019).
[2] Gallily, Ruth et al. “The Anti-Inflammatory Properties of Terpenoids from Cannabis”, Cannabis and cannabinoid research vol. 3,1 282-290. 26 Dec. 2018, doi:10.1089/can.2018.0014
[3] Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), „Cannabisagentur,“ 2017. http://www.bfarm.de/DE/Bundesopiumstelle/Cannabis/Cannabisagentur/_node.html.
[4] Grotenhermen F, Müller-Vahl K, „Das therapeutische Potenzial von Cannabis und Cannabinoiden,“ DtschArztebl 2012; 109(29-30), Nr. 109, pp. 29-30, 2012.
[5] Lewis MA et al.Na+-Ca2+ exchanger in mitochondria (mNCX) to regulate intracellular calcium levels Pharmacological Foundations of Cannabis Chemovars.Planta Med. 2018 Mar;84(4):225-233. doi: 10.1055/s-0043-122240. Epub 2017 Nov 21.
[6] Alex Straiker, Michaela Dvorakova, Anaelle Zimmowitch and Ken Mackie, Cannabidiol Inhibits Endocannabinoid Signaling in Autaptic Hippocampal Neurons Molecular Pharmacology July 2018, 94 (1) 743-748; DOI: https://doi.org/10.1124/mol.118.111864
[7] Laun AS et al. GPR3, GPR6, and GPR12 as novel molecular targets: their biological functions and interaction with cannabidiol. Acta Pharmacol Sin. 2018 Jun 25. doi: 10.1038/s41401-018-0031-9. [Epubaheadofprint]
[8]Mücke M et al.Cannabis-based medicines for chronic neuropathic pain in adults .Cochrane Database Syst Rev. 2018 Mar 7;3:CD012182. doi: 10.1002/14651858.CD012182.pub2.
[9]Lötsch J et al. Current evidence of cannabinoid-based analgesia obtained in preclinical and human experimental settings. Eur J Pain. 2018 Mar;22(3):471-484. doi: 10.1002/ejp.1148. Epub 2017 Nov 21.
[10] Aviram J et al. Efficacy of Cannabis-Based Medicines for Pain Management: A Systematic Review and Meta-Analysis of Randomized Controlled Trials.Pain Physician. 2017 Sep;20(6):E755-E796.
[11] Hill KP Cannabis and Pain: A Clinical Review.Cannabis Cannabinoid Res. 2017 May 1;2(1):96-104. doi: 10.1089/can.2017.0017. eCollection 2017.
[12] Zaheer S et al. Epilepsy and Cannabis: A Literature Review. Cureus. 2018 Sep 10;10(9):e3278. doi: 10.7759/cureus.3278.
[13] Ali S Efficacy of cannabinoids in paediatric epilepsy.Dev Med Child Neurol. 2019 Jan;61(1):13-18. doi: 10.1111/dmcn.14087. Epub 2018 Nov 6.
[14] Peres FF et al. Cannabidiol as a Promising Strategy to Treat and Prevent Movement Disorders?Front Pharmacol. 2018 May 11;9:482. doi: 10.3389/fphar.2018.00482. eCollection 2018.
[15] Chagas MH et al. Effects of cannabidiol in the treatment of patients with Parkinson’s disease: an exploratory double-blind trial.J Psychopharmacol. 2014 Nov;28(11):1088-98. doi: 10.1177/0269881114550355. Epub 2014 Sep 18.
[16] Zettl UK, Rommer P, Hipp P, Patejdl R. Evidence for the efficacy and effectiveness of THC-CBD oromucosal spray in symptom management of patients with spasticity due to multiple sclerosis. TherAdvNeurolDisord. 2016;9(1):9-30.
[17] Poleg S et al. Cannabidiol as a suggested candidate for treatment of autism spectrum disorder. ProgNeuropsychopharmacolBiolPsychiatry. 2019 Mar 8;89:90-96. doi: 10.1016/j.pnpbp.2018.08.030. Epub 2018 Aug 29.
[18] Bitencourt RM, Takahashi RN. Cannabidiolas a Therapeutic Alternative for Post-traumatic Stress Disorder: From Bench Research to Confirmation in Human Trials. Front Neurosci. 2018;12:502. Published 2018 Jul 24. doi:10.3389/fnins.2018.00502
[19] Mandolini GM et al. Pharmacological properties of cannabidiol in the treatment of psychiatricdisorders: a critical overview. Epidemiol PsychiatrSci. 2018 Aug;27(4):327-335. doi: 10.1017/S2045796018000239. Epub 2018 May 23.
[20 ]McGuire P et al. Cannabidiol (CBD) as an Adjunctive Therapy in Schizophrenia: A Multicenter Randomized Controlled Trial. Am J Psychiatry. 2018 Mar 1;175(3):225-231. doi: 10.1176/appi.ajp.2017.17030325. Epub 2017 Dec 15.
[21] Kafil TS, Nguyen TM, MacDonald JK, Chande N. Cannabis for the treatment of Crohn’s disease. Cochrane Database of Systematic Reviews 2018, Issue 11. Art. No.: CD012853. DOI: 10.1002/14651858.CD012853.pub2.
[22] Kafil TS et al. Cannabis for the treatment of ulcerative colitis. Cochrane Database Syst Rev. 2018 Nov 8;11:CD012954. doi: 10.1002/14651858.CD012954.pub2.
[23] Zuardi AW et al. Action of cannabidiol on the anxiety and other effects produced by delta 9-THC in normal subjects.Psychopharmacology (Berl). 1982;76(3):245-50.
sehr interessant und vielleicht hilfreich
danke und lieben gruß
Freut mich, dass Ihnen der Beitrag gefällt und (hoffentlich) weiterhilft. Viele Grüße
Pingback: Cannabidiol (CBD): das Cannabis für alle? (Teil 2) | Blog: Gemeinsam stark! | Blog: Gemeinsam stark!
Was für eine tolle Lektüre!
Danke, freut mich und motiviert am Thema dran zu bleiben. Viele Grüße, W Doerfler
Sehr geehrter Herr V. Wir können Ihren Kommentar nicht freigeben, da er produktbezogene Informationen/Links enthält. Als Tumorzentrum können wir keine Aussgane zu unterschiedlichen Produkten bzw Herstellen machen, allemal nicht hinsichtlich spezifischer Empfehlungen. Viele Grüße, W Doerfler
Super spanende Ansätze. Vielen Dank für den spannenden Bericht!
Gerne! Und Danke für diese ermutigenden Worte. Viele Grüße, Wolfgang Doerfler
Hallo und Danke für den wertvollen Beitrag! Sehr schön Tipp.