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„Das Schönste, woran man sich im Leben festhalten kann, ist ein guter Begleiter“
frei nach Audrey Hepburn
Solch eine gute Begleitung bieten ambulante Hospizdienste schwerkranken und sterbenden Menschen und ihren Angehörigen in ihrem häuslichen Umfeld bzw. im Pflegeheim an. Gut ausgebildete HelferInnen unterstützen dabei achtsam und respektvoll die PatientInnen und ihre Familien.
Um Ihnen ein konkretes und vor allem praxisorientiertes Bild eines Hospizdienstes zu vermitteln, haben wir für Sie, wie im letzten Blog angekündigt, ein Interview mit einer Hospizbegleiterin geführt. Frau Schmid ist seit drei Jahren ehrenamtliche Hospizbegleiterin beim ambulanten Hospizdienst im Landkreis Traunstein.
TZM: Frau Schmid, wie kam es zu der Entscheidung, sich zur Hospizbegleiterin ausbilden zu lassen?
Seit über 20 Jahren bin ich Krankenschwester auf einer urologischen Station. In meinem beruflichen Alltag muss ich mich immer wieder auch mit dem Thema Tod befassen. Leider ist es im Krankenhausalltag oft nicht möglich, den PatientInnen und Angehörigen den bestmöglichen Abschied zu bereiten. Die an sich schon begrenzten Kapazitäten werden durch Personalmangel und verkürzte Liegezeiten immer knapper. Für Themen wie Abschied, Tod und Trauer ist kein Raum, obwohl sie einem tagtäglich auf Station begegnen.
Durch Zufall stieß ich auf die Ausschreibung für einen Grundkurs in „Hospizbegleitung“, in dem ich mich endlich ausführlich mit den Themen Tod und Sterben auseinandersetzen durfte. Schon nach den ersten Kursabenden hat mich das Thema gepackt: Der Tod ist das einzig Definitive, das jeden in seinem Leben treffen wird, alles davor sind Entscheidungen, meist auch Zufall oder Schicksal. Mir wurde bewusst: Ich will gut auf den Tod vorbereitet sein – auf meinen eigenen, den meiner Angehörigen, den der Menschen, die ich begleite.
In gewisser Weise dient mir diese Tätigkeit auch als Ausgleich zur Arbeit. Als Hospizbegleiterin kann ich das ausleben, was im Krankenhaus zu kurz kommt: mir Zeit für die Sterbende oder den Sterbenden und seine Angehörigen zu nehmen – ganz nach deren Wünschen und Bedürfnissen.
TZM: Worin besteht die Ausbildung zur Hospizhelferin?
Die Ausbildung zur Hospizbegleitung gilt als eine der aufwändigsten Schulungen, die es bei Ehrenämtern gibt. Jeder kann sie machen; ein pflegerischer Hintergrund, wie in meinem Fall, ist nicht erforderlich. Es gibt einen Grundkurs zu grundsätzlichen Themen rund um Abschied, Verlust, Tod und Sterben, um ein Gespür für die Arbeit als Hospizbegleiterin zu bekommen. Hier kann man herausfinden, ob einem das wirklich liegt. Im Aufbaukurs werden die Themen dann vertieft.
In der Ausbildung selbst habe ich mich sehr intensiv auch mit meiner eigenen Endlichkeit und der meiner Lieben auseinandergesetzt: Was für Verluste habe ich erlebt? Wie gehe ich damit um? Welche Narben hat das hinterlassen? Zudem gibt es Rollenspiele und Gesprächstraining. Insbesondere ist mir eine Tastübung im Kopf geblieben: Wie fühlt es sich an, jemanden zu berühren, von jemandem berührt werden? Wo sind die eigenen Grenzen? Wo fremde Grenzen? Was ist ok für mich, was für andere? In der Praxis muss ich sehr genau darauf achten, ob z.B. der Kranke überhaupt an der Hand gehalten werden will. Das ist ja so ein Bild, das einem im Kopf herumspukt: die Hospizbegleiterin, die am Bett sitzt und die Hand hält.
Auch nach der Ausbildung wird man vom Hospizverein inhaltlich durch Supervision, Praxisreflexion und Fortbildungen sehr gut begleitet. Wir unterliegen alle der Schweigepflicht, und bei Fallbesprechungen werden die PatientInnen anonymisiert. Dieser professionelle Rahmen ist wichtig für eine gute Arbeit. Ich bin ja als Hospizbegleiterin bei einem der intimsten Momente des Lebens dabei, dem Sterben. Dies ist für mich nur gleichzusetzen mit der Geburt eines Kindes, beides haben wir nicht in der Hand. Und es bedeutet einen enormen Vertrauensvorschuss von Seiten der Patientin/des Patienten und den Angehörigen, daran einen Außenstehenden teilhaben zu lassen.
TZM: Wie und wo kommen Sie als Hospizbegleiterin zum Einsatz?
Das ist sehr individuell, es richtet sich auch nach den eigenen Kapazitäten. Durch meinen Schichtdienst kann ich z.B. keinen festen wöchentlichen Termin anbieten. Dafür bin ich sehr flexibel bei der Zeitgestaltung. Der erste Besuch erfolgt immer zusammen mit der hauptamtlichen Koordinatorin des Hospizvereins. Danach entscheidet der Patient/die Patientin und auch ich, ob die Betreuung passt oder nicht. Aber die Koordinatorin hat meist ein gutes Händchen, die richtigen zwei zusammenzubringen.
Als Hospizbegleitung geht man entweder nach Hause oder ins Altenheim, aber auch eine Begleitung im Krankenhaus oder Hospiz ist möglich. Die Termine werden zwischen mir und der betreuten Familie abgesprochen und fallen je nach Kontext sehr unterschiedlich aus. Manche PatientInnen besuche ich nur 2-3 Mal, in anderen Fällen erstreckt sich die Begleitung über ein ganzes Jahr. Grundsätzlich ist die Begleitung kostenfrei für die PatientInnen und ihre Familien. Der Hospizverein rechnet mit der Krankenkasse nur eine Art Verwaltungsgebühr ab.
Wichtig zu wissen ist, dass wir keine pflegerischen oder hauswirtschaftlichen Leistungen erbringen. Natürlich kann ich der Patientin etwas zum Trinken oder Essen reichen, aber mein Auftrag ist vor allem, Zeit mitzubringen – für Gespräche, um den pflegenden Angehörigen einen Freiraum zu verschaffen oder um einfach »Da-zu-sein«.
TZM: Wie schaffen Sie es, ihre PatientInnen sinnbildlich nicht „mit nach Hause zu nehmen“?
Das habe ich während meiner Ausbildung und auch in meinem beruflichen Alltag als Krankenschwester gelernt. Zudem habe ich mir ein eigenes Ritual zugelegt: Wenn ich zu einem Patienten oder einer Patientin fahre, bleibe ich noch ein paar Minuten im Auto sitzen, besinne mich kurz und lasse mich symbolisch im Auto, wenn ich zu ihm oder ihr gehe. Meine eigenen Vorstellungen und Werte bleiben draußen und ich stelle mich ganz auf die Person ein. Sie/Er und ihre/seine Angehörigen haben jetzt oberste Priorität.
Als Hospizbegleiterin bin ich eine Außenstehende. Ich bin ganz klar für die Zeit des Abschiednehmens da, ich gehöre nicht zu dem Leben davor oder danach. Diese Neutralität hilft PatientInnen, Angehörigen und auch mir, die Grenzen zu wahren. Der Kranke braucht sich mir gegenüber nicht zu rechtfertigen oder zu schämen. Er kann mir alles sagen und muss keine Rücksicht nehmen. Er kann jammern, klagen, sich aussprechen, ganz, wie er sich fühlt.
TZM: Hat sich Ihr eigener Blick auf das Thema Tod und Sterben verändert?
Ja, sicherlich. Ich glaube, dass ich besser damit umgehen kann, wenn z.B. ein naher Angehöriger oder Freund sterben würde. Auch im Umgang mit organisatorischen Angelegenheiten wie Vorsorgevollmacht o.ä. bin ich jetzt besser gewappnet.
Zudem bin ich in meinem eigenen Leben reflektierter. Ich stehe Alltagsproblemen gelassener gegenüber. Denn durch die Begleitungen habe ich gelernt, dass ich zwar nicht immer das Ereignis beeinflussen kann, aber immer die Möglichkeit habe, zu entscheiden, wie ich mit der Situation umgehe.
Und wenn mir selbst ein schwerer Weg bevorstehen sollte, werden sich Menschen finden, die mich begleiten. Vielleicht werden das andere Menschen sein als die, die mir derzeit nahestehen. Denn eine schwere Erkrankung verändert den Menschen und auch sein Umfeld. Zudem kann es in schwierigen Zeiten auch sehr schöne Momente geben, wenn man zusammenrückt und andere Prioritäten setzt.
TZM: Was möchten Sie unseren LeserInnen noch mitgeben?
Meine wichtigste Botschaft ist: Melden Sie sich frühzeitig bei einem Hospizdienst!
Sobald eine Krankheit auftritt, die zum Tod führen kann, sollte man sich an einen Hospizdienst wenden. Bei unheilbaren Krebserkrankungen denken Ärzte oder Pflegedienste noch relativ oft an Hospizdienste als Unterstützungsmöglichkeit. Aber bei einer Demenz werden wir oft viel zu spät hinzugezogen. Wenn ich die Chance habe, den Patienten noch kennenzulernen, wenn er gut ansprechbar ist, dann ist es wesentlich leichter, eine Verbindung aufzubauen.
Auch ein Kennenlernen ohne direkte Anschlussbegleitung ist möglich. Diese kann dann wieder aufgenommen werden, wenn die Unterstützung gebraucht wird. Der Weg zu uns ist dann allerdings viel kürzer.
In einem größeren Rahmen wünsche ich mir, dass sich eine Kultur des Sterbens entwickeln sollte. Die Auseinandersetzung mit dem Tod hat viel mit dem Leben zu tun. Aber in unserer heutigen Zeit scheuen wir uns davor, uns mit dieser Endlichkeit auseinanderzusetzen. In Würde zu sterben ist oft nicht mehr möglich. Aber genau dazu möchte ich meinen Beitrag leisten, dass Menschen auch diese letzte Reise in Würde antreten können.
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