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Erschreckt warnen die Radiomoderatoren uns: „Der 24.12. ist dieses Jahr ein Sonntag! Keine Panikeinkäufe oder Last-Minute-Schnäppchen am 24.12. mehr!“ Um einer solchen Paniksituation kurz vor Weihnachten vorzubeugen, möchten wir Ihnen mit dem heutigen Blogbeitrag eine Anregung für ein sinnvolles Weihnachtsgeschenk mit Niveau geben. Wir möchten Sie auf das Buch von Jörg Blech aufmerksam machen: „Schmeckt´s noch? Die falschen Versprechen der Lebensmittelindustrie und wie wir einfach gesund essen können.“
Der Biochemiker und Wissenschaftsjournalist Jörg Blech landete schon mit „Der Krankheitserfinder“ über das Geschäft mit der Medizin einen Bestseller. Sein aktuelles Werk geht Hand in Hand mit dem Buch des Tumorzentrums München „Stark gegen Krebs“, da es den Verzehr unverarbeiteter, „sauberer“ Lebensmittel propagiert, was ökologisch erzeugte Lebensmittel bzw. Lebensmittel aus artgerechter Tierhaltung beinhaltet. Im Vergleich beschäftigt sich Jörg Blech allerdings wesentlich genauer mit der Thematik des Verarbeitungsgrades: Die Nahrungsmittel, die uns zur Verfügung stehen, entwickeln sich rasant zu industriell gefertigten Produkten, die nur noch wenig mit den angepriesenen, ursprünglichen Zutaten zu tun haben. Der weltweite Trend ist auch in unseren Supermärkten zu beobachten: mitunter sind schon 80 % der Waren verarbeitet oder ultraverarbeitet (Blech hat eine nützliche Einteilung in vier Kategorien erarbeitet), Tendenz steigend.
Das Problem bei dieser Verzehrsform der Nahrung ist, dass der Wert für die Gesundheit mit jedem Grad der Verarbeitung sinkt. Blechs vier Stufen der Nahrungsmittelverarbeitung gehen von den frischen Grundnahrungsmitteln (Gruppe 1) über die aus frischen Nahrungsmitteln gewonnenen, kulinarisch verarbeiteten Stoffe wie Fette, Öle, Mehle, Speisesalz, Honig etc. (Gruppe 2) zu den mit Zucker, Öl, Salz verarbeiteten frischen Nahrungsmitteln wie konserviertes Obst und Gemüse oder Räucherfisch, Käse, frisch gebackenes Brot und Wein (Gruppe 3).
In Gruppe 4 finden wir dann die so genannten „ultraverarbeiteten Nahrungsmittel“, bei denen man nur noch die Packung aufreißen muss: zum Beispiel Kartoffelchips, Müsli-Riegel, abgepackte Backwaren, Frühstücksflocken, Fruchtjoghurt, um nur einige Beispiele zu nennen. Diese Produkte sind sehr kalorienreich, enthalten wenig Ballaststoffe, Mikronährstoffe und sekundäre Pflanzenstoffe und viel ungesunde Fette, freie Zucker und Salz, zitiert Blech eine Studie aus der renommierten Fachzeitschrift Lancet.
Der Autor schildert sehr unterhaltsam, wie die an sich durchaus sinnvolle Haltbarmachung 1850 mit der Konservendose begann, dann über die Erfindung der Erbswurst und des Liebig-Fleisch-Extrakts (produziert seit 1865 in Uruguay!), über den Brühwürfel und das Milchpulver die Lebensbedingungen wesentlich verbesserten. Seit den Sechzigerjahren hingegen hat sich die Nahrungsmittelindustrie stark verändert. Das große Geschäft mit ultraverarbeiteten Produkten erwies sich als wesentlich lukrativer als der Handel mit unverarbeiteten Lebensmitteln, die noch dazu Probleme der Haltbarkeit und der Lagerung mit sich brachten.
Kenntnisreich und zugleich sehr anschaulich erklärt er unter anderem, warum Butter besser ist als Margarine, warum man Orangen essen statt trinken sollte, wie Zucker, Emulgatoren und Brathähnchen die Darmflora ruinieren und zur Entstehung von Demenz und Krebs beitragen können. Als Biochemiker kann er die Vorgänge im Körper bei der Nahrungsaufnahme genau erklären und einleuchtend kommentieren.
Jörg Blech ist ein großartiger Journalist und ein engagierter Aufklärer. Er vermittelt einleuchtend, warum es viele widersprüchliche Informationen zum Thema Ernährung gibt und warum dieser Bereich extrem umkämpft ist. Zugleich thematisiert er die Widersprüchlichkeit vieler Studien (mal ist Kaffee Gift für die Bauspeicheldrüse, 6 Jahre später wieder ein Schutz vor Darmkrebs, 2005 wird er wieder verdammt). Das Problem der ernährungswissenschaftlichen Studien ist, dass sie auf statistischen Werten beruhen, die keine echte Verbindlichkeit haben. Blech wundert sich, dass angesichts der Schwierigkeit, die einzelnen Ingredienzien zu beurteilen, die Gefahren der industriell verarbeiteten Nahrungsmittel kaum untersucht werden.
Sein Fazit: Wir sollten uns traditionell ernähren, mit frischen Lebensmitteln wie Obst, Gemüse, Vollkornprodukten, Nüssen und Samen. Wichtig sind auch Fisch und Rapsöl. Fernhalten sollte man sich von ultraverarbeiteten Lebensmitteln wie Fastfood, Süßigkeiten und fertigen Backwaren. Des weiteren empfiehlt er Pausen zwischen den Mahlzeiten, möglichst nachts eine längere Pause von 12-16 Stunden, um den Stoffwechsel zu aktivieren. Dadurch würden auch die Widerstandsfähigkeit des Körpers gestärkt, überflüssige Stoffe abgebaut und Entzündungen gemildert.
Ein sehr anregendes, gut dokumentiertes, glänzend geschriebenes Buch, das auf jeden Fall ein gutes Weihnachtsgeschenk abgibt. Bringt es doch sinnige Beschäftigung für kuschelige Lesestunden auf dem Sofa und garantiert einen hohen Erkenntniswert.
Jörg Blech, Schmeckt´s noch? Die falschen Versprechen der Lebensmittelindustrie und wie wir einfach gesund essen können. Fischer, 240 S., März 2017