Die Kinder leiden mit
Pro Jahr sind ca. 50 000 Kinder und Jugendliche mit einer neu diagnostizieren Krebserkrankung eines Elternteils konfrontiert (1). Hinzu kommen die Kinder, die bereits eine erkrankte Mutter oder einen erkrankten Vater haben und es wird deutlich, dass viele Kinder und Jugendliche, über alle Altersspannen hinweg bereits in diesen frühen Jahren ihres Lebens, mit einer elterlichen Krebserkrankung und deren Auswirkungen, konfrontiert sein können. Während die erkrankten Elternteile häufig viel Unterstützung, Mitgefühl und Aufmerksamkeit erhalten, werden die Sorgen und Ängste der Jüngeren leicht übersehen – nicht selten aus dem Bedürfnis der Eltern und des Umfelds heraus, die Kinder schützen zu wollen. Doch eine elterliche Krebserkrankung betrifft immer auch die Kinder.
Eine besondere Rolle nehmen hierbei jene ein, die sich bereits im jugendlichen Alter befinden und dadurch selbstständiger sind und sich womöglich schon in einem natürlichen Ablösungsprozess zu den Eltern befinden. Nicht selten wird diese Zeit aufgrund der Pubertät ohnehin von Familien als herausfordernd erlebt. Doch was passiert, wenn zu gewöhnlichen Auseinandersetzungen und Abnabelungsprozessen dann auch noch eine elterliche Krebsdiagnose kommt? Knapp die Hälfte der Kinder, deren Eltern an Krebs erkranken, zeigt Verhaltensauffälligkeiten, die eine Intervention erfordern (2). Bei mehr als 30 % zeigen sich Angstsymptome, depressive Verhaltensweisen und psychosomatische Beschwerden (3). All dies verdeutlicht, dass auch Kinder spezifische Unterstützung und Hilfe im Umgang mit der Krebserkrankung eines Elternteils benötigen und besonders auch für Jugendliche spezielle Angebote geschaffen werden müssen, um die für sie aufgrund der Pubertät häufig ohnehin schwierige Zeit resilient zu meistern.
Jugendliche haben bereits ein hohes kognitives Verständnis – die emotionale Entwicklung ist jedoch meist noch nicht so weit
Die offene Kommunikation über die elterliche Krebserkrankung stellt eine universelle Notwendigkeit in Familien dar. Wie bei allen kindlichen Altersgruppen gibt es auch bei Jugendlichen zwischen 13 und 18 Jahren Besonderheiten in der Kommunikation über die Erkrankung zu beachten. Zwar können sie medizinischen Sachverhalte meist bereits wie Erwachsene verstehen, ihr emotionales Erleben und Befinden ist jedoch aufgrund der biologischen Veränderungen, die durch die Pubertät verursacht sind, häufig geprägt von heftigen und auch ambivalenten Gefühlen. Dies führt nicht selten auch zu einem Leidensdruck für die Jugendlichen selbst. Häufig kommt es aufgrund der scheinbar schon vorhandenen kognitiven Reife mancher Jugendlicher dazu, dass sie zwar vieles verstehen, emotional mit dieser Situation jedoch völlig überfordert sind und Unterstützung im Umgang mit dieser neuen Lebenssituation benötigen. Für Eltern und Bezugspersonen bedeutet dies, dass ein regelmäßiger Austausch über mögliche Gedanken, Gefühle und Ängste der Heranwachsenden besonders wichtig erscheint. Sollten die Jugendlichen diese Gespräche mit den Eltern nicht führen wollen, können auch anderen erwachsene Bezugspersonen oder Fachpersonal dies übernehmen. Eine wichtige Unterstützungshilfe in emotionalen Themen und dem Alltag zeigt sich in diesem Alter auch in der peer-group (soziale Gruppe von gleichaltrigen, gleichartigen oder gleichgesinnten Personen), was auch die aktuelle Shell-Jugendstudie 2024 zeigt (4). Die Gespräche mit Freundinnen und Freunden sollten in keinem Fall die mit erwachsenen Bezugspersonen ersetzen, sie können jedoch ein wichtiger Stützpfeiler für die Jugendlichen selbst in dieser herausfordernden Zeit sein. Im Fokus steht in jedem Fall, dass die Teenies einen Raum für ihre Gedanken und Fragen finden und zusätzlich auch hilfreiche Strategien im Umgang mit ihren möglicherweise intensiven und widersprüchlichen Gefühlen entwickeln können. Sachinformationen über die Erkrankung des Elternteils oder die Behandlung sollten stets auch innerfamiliär transparent besprochen werden, um die, durch eigene Recherche der Jugendlichen im Internet gefundenen Informationen, mit den medizinisch fundierten und diagnostizierten Sachverhalten abzugleichen und zu klären.
Austausch mit anderen betroffenen Jugendlichen kann helfen
Neben den Freundinnen und Freunden kann auch der Austausch mit anderen Jugendlichen, die ebenfalls einen erkrankten Elternteil haben, helfen. Hier können sie offen über ihre Gefühle und Wahrnehmungen sprechen, Fragen stellen und vom Gespräch mit Gleichaltrigen, die sich in einer ähnlichen Situation befinden, profitieren. Denn wie bereits erwähnt, bewegen sich die Jugendlichen sehr häufig im Spannungsfeld zwischen ihrem eigenen Leben und der Ablösung von den Eltern und einer steigenden Selbstständigkeit, wollen aber gleichzeitig auch für den erkrankten Elternteil da sein, zur Genesung beitragen und übernehmen nicht selten auch in dieser Phase mehr Verantwortung und Aufgaben im häuslichen und familiären Umfeld. Noch deutlicher wird dies, wenn sie jüngere Geschwister haben und hier zeitweise in eine Art Eltern-Ersatz-Rolle hineinfallen.
Die ständige Bewegung zwischen diesen, gerade beschriebenen zwei Polen, stellt eine große Herausforderung und Anstrengung für die Jugendlichen dar und wird durch die eigenen Sorgen und Ängste, um den erkrankten Elternteil sowie die grundsätzlichen emotionalen Entwicklungsschübe innerhalb der Pubertät noch verstärkt und unterstreicht letztlich den Bedarf einer expliziten Unterstützung dieser Altersgruppe.
Ein passendes Hilfsangebot finden sie im #FreiRaum von lebensmut e.V., welcher sich explizit an Jugendliche zwischen 13 und 18 Jahren richtet, die einen krebskranken Elternteil haben. Die Treffen finden zweimal im Monat in der Münchner Innenstadt statt. In einem geschützten Raum können die Jugendlichen ihre Anliegen, Themen und Gefühle besprechen und einbringen, können aber auch einfach nur zuhören, zusammen spielen oder kreativ werden. Bei regelmäßigen Events wird gemeinsam etwas unternommen, was Freude und Zusammenhalt bringt.
Für Jugendliche ab 13 Jahren finden regelmäßige Treffen und Events im #FreiRaum statt.
Mehr Informationen finden Sie auf unserer Homepage oder auf Instagram.
Sie haben Interesse oder Fragen dazu? Melden Sie sich gerne!
Pia Kandlinger
pia.kandlinger@med.uni-muenchen.de
Mobil/WhatsApp 0152-54 88 98 13
Sekretariat: 089 4400-74918
Instagram: freiraum.muc
Das Angebot der Familiensprechstunde richtet sich an Familien mit minderjährigen Kindern und einem krebskranken Elternteil. Die Begleitung umfasst die Beratung der Eltern aber auch die Begleitung der Kinder durch Einzelgespräche oder auch Gruppenangebote.
Die Beratung in der Familiensprechstunde kann direkt ab Diagnosestellung erfolgen, aber auch zu einem späteren Zeitpunkt beginnen und erstreckt sich auf Wunsch über den gesamten Krankheitsverlauf. Innerhalb der Beratung erfahren Sie Unterstützung durch altersgerechte Krebsaufklärung der Kinder, Hilfe bei der Kommunikation innerhalb der Familie und allen Themen, die Sie und Ihre Familie zusätzlich im Rahmen der Krebserkrankung beschäftigen.
Die Beratung ist kostenlos und kann persönlich in Großhadern oder in der Innenstadt, telefonisch, per Video und auf Wunsch auch anonym stattfinden.
Krebsberatungsstelle lebensmut e. V. am CCC MünchenLMU
Campus Großhadern: Marchioninistraße 15, 81377 München
Campus Innenstadt: Pettenkoferstraße 8a, 80331 München (Patientenhaus am CCC München)
089 / 44 00 – 74918 – ccc.lebensmut-kbs@med.uni-muenchen.de
www.lebensmut.org
Quellen:
- Robert Koch Institut, Zentrum für Krebsregisterdaten 2019: Krebs – Kurzbeiträge – Wie häufig sind Krebserkrankungen bei Eltern minderjähriger Kinder? (krebsdaten.de)
- Broeckmann, Sylvia 2018: Plötzlich ist alles ganz anders – wenn Eltern an Krebs erkranken. 4. Auflage. Klett-Cotta Verlag.
- Trabert, Gerhard et al. 2007: Studie zur Situation krebskranker Eltern in Deutschland, Georg-Simon-Ohm Fachhochschule Nürnberg. Deutsches Ärzteblatt 104, Ausgabe 24, 15.06.2007, Seite B-1525-26; https://www.aerzteblatt.de/pdf.asp?id=56026
- Shell Deutschland GmbH 2024: Die Shell Jugendstudie 2024; shell-jugendstudie-2024-zusammenfassung.pdf
Bildquelle:
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