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Die gute Nachricht: Unsere Welt kann noch gerettet werden.
Die schlechte: Wir müssen etwas dafür tun.
So lautet das Fazit des jüngst im renommierten Fachjournal „Lancet“ veröffentlichten Reports der EAT-Lancet Kommission [1].
Die aus 37 Experten aus 16 Ländern bestehende Kommission hat es sich zur Aufgabe gemacht, global gültige Empfehlungen auf der Basis neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse aus den Bereichen Humanmedizin, der Landwirtschaft, Politikwissenschaften und ökologischen Nachhaltigkeitzu formulieren. Ihre Mission ist es, dazu beizutragen, dass die Ziele der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung (SDGs) und das Pariser Abkommen der Klimaschutzkonferenz (COP21) erreicht werden [2] [3].
Dabei sehen die Prognosen für die kommenden Jahrzehnte von anderer Seite durchaus besorgniserregend aus: Eine 2016 ebenfalls im „Lancet“ erschienene Analyse von Springmann M et al. prognostiziert beispielsweise über eine halbe Million ernährungsbedingte Tote im Erwachsenenalter auf Grund des Klimawandels für das Jahr 2050 [4].
Ein Grund hierfür liegt in der Veränderung der landwirtschaftlichen Erzeugung unserer Nahrungsmittel. Besonders in den letzten fünfzig Jahren hat sich diese fundamental verändert. Durch eine Steigerung der Ernteerträge und die Verbesserung der Verarbeitungsprozesse konnten zwar der weltweite Hunger verringert, die Lebenserwartung verbessert und die Säuglings- und Kindersterblichkeit sowie die globale Armut gesenkt werden. Zugleich wurden diese Errungenschaften jedoch wieder relativiert durch den ansteigenden Konsum ungesunder Nahrungsmittel mit hohem Kaloriengehalt und stark verarbeiteten sowie Lebensmitteln tierischen Ursprungs, die durch die landwirtschaftliche Entwicklung erschwinglich geworden sind.
„Ungesunde und nicht nachhaltig produzierte Lebensmittel stellen ein globales Risiko für Mensch und Umwelt dar,“ so lautet eine der Hauptaussagen des Artikels. Über 820 Millionen Menschen verfügen demnach derzeit nicht über genügend Nahrung und weltweit sind 3 Milliarden Menschen fehl-, unter- oder überernährt, was das Risiko für diverse Erkrankungen wie Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Krebs und vorzeitigem Todesfall erhöht. Darüber hinaus stellt die globale Nahrungsmittelproduktion die größte von Menschenhand geschaffene Belastung für unsere Erde dar und bedroht die lokalen Ökosysteme ebenso wie die globale Stabilität des Planeten [5].
Konkret fordert der Artikel auf zu einem Wandel in der landwirtschaftlichen Produktion von Nahrungsmitteln, aber auch zu einer Veränderung der Essgewohnheiten von jedem Einzelnen. Nur so könne auch eine zu erwartende Weltbevölkerung von 10 Milliarden Menschen im Jahr 2050 ernährt werden. Um dieses Ziel zu erreichen, empfiehlt die Kommission eine so genannte „Planetary Health Diet“. Diese besteht größtenteils aus Gemüse, Obst, Vollkornprodukten, Hülsenfrüchten, Nüssen und ungesättigten Fetten, enthält aber auch geringe bis moderate Mengen an Meeresfrüchten und Geflügel und wenig bis gar kein rotes sowie verarbeitetes Fleisch, zugesetzter Zucker, raffiniertes Getreide und stärkehaltiges Gemüse.
Bezogen auf eine Diät mit 2500 kcal täglich sehen die Empfehlungen wie folgt aus:
- 230 g Vollkornprodukte
- 300 g Gemüse
- 200 g Obst
- 250 g Milchprodukte
- 40 g Fleisch (= 300 g pro Woche)
- 30 g Fisch (= 200 g pro Woche)
- 125 g Hülsenfrüchte und Nüsse
- 40 g ungesättigte Fettsäuren
- 30 g Zucker und andere Süßungsmittel
Hielte sich die gesamte Menschheit an diese Vorgaben, könnten jährlich 10,9 – 11,9 Millionen Todesfälle vermieden werden (dies entspricht 19-23 % aller Sterbefälle im Erwachsenenalter), ist sich die EAT-Lancet-Kommission einig. „Die gute Nachricht ist, dass wir zunehmend Belege dafür haben, dass dieses Ziel erreichbar ist,“ meint Prof. Dr. Johan Rockström, Leiter des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) und einer der Leitautoren des Lancet-Reports [6]. Allerdings ist hierbei das Mitwirken der gesamten Welt-Bevölkerung erforderlich. „Schon ein geringer Anstieg des Konsums von rotem Fleisch oder Milchprodukten würde dieses Ziel erschweren oder unmöglich machen“, so der Report [5].
Auch wenn der Aufschrei auf diese Referenzdiät hin groß vermutlich groß sein wird, so decken sich die Empfehlungen der Kommission ziemlich gut mit den bereits bekannten 10 Regeln der Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE), die im Rahmen einer adäquaten Kalorienzufuhr täglich mindestens 400 g Gemüse und 250 g Obst und 125g gekochte Hülsenfrüchte umfassen. Auch der World Cancer Research Fund (WCRF) empfiehlt eine ausgewogene, pflanzenbasierte Ernährung mit maximal 300 g rotem Fleisch, welches nach Möglichkeit nicht verarbeitet sein sollte. Große Mengen von raffiniertem Getreide und stark verarbeiteten Lebensmitteln sowie den übermäßigen Zusatz von Zucker lehnen beide Institutionen ebenfalls ab [7] [8].
Die Theorie ist also seit langem bekannt, doch in der Praxis nimmt der übermäßige Konsum ungünstiger Lebensmittel überall tendenziell eher zu als ab. Kaum ein Land bewegt sich innerhalb der ermittelten Grenzwerte der Referenzdiät (siehe Graphik).
„Der weltweite Verbrauch von Obst, Gemüse, Nüssen und Hülsenfrüchten muss sich verdoppeln, und der Verbrauch von Lebensmitteln wie rotem Fleisch und Zucker um mehr als 50 % reduziert werden,“ so Prof. Walter Willett von der Harvard T H Chan School of Public Health und einer der Hauptverantwortlichen der Reports. Dabei würde sich eine solche Anstrengung absolut auszahlen: „Mit einer Ernährung, die reich an pflanzlichen Lebensmitteln und arm an tierischen Produkten ist, gewinnen beide Bereiche – die Gesundheit wie die Umwelt.“
Neben der Auswahl der Lebensmittelgruppen ist natürlich auch deren Qualität bzw. die Art und Weise des Anbaus entscheidend. Die Umstellung der Landwirtschaft auf eine nachhaltige Produktion mit reduziertem Einsatz von Phosphat und Stickstoffdünger, geringerem Verbrauch von Süßwasser (derzeit wird etwa 70% des weltweit genutzten Trinkwassers für die Landwirtschaft genutzt), einer Umstellung auf hauptsächlich pflanzliche Produkte, der Förderung von kleinen und mittelständigen Betrieben sowie dem ökologischen Anbau könnte man etwa 80% der derzeitigen Emissionen einsparen. Einen ausführlichen Bericht über die Auswirkungen von nachhaltiger und ökologisch sinnvoller Landwirtschaft lesen Sie in unserem Blogbeitrag „Sich gesund und genussvoll aber zugleich auch ethisch richtig ernähren – geht das denn überhaupt?“.
Von der Theorie in die Praxis:
Was bedeutet die „Planetary Health Diet“ in der Praxis? In dem englischsprachigen Blog der EAT-Lancet Kommission führen Mitglieder der Kommission aus Schottland, Indonesien und Libanon einen Selbstversuch durch und zeigen auf, wie vielfältig und genussvoll die Empfehlungen umgesetzt werden können [9].
Für alle Fleischliebhaber sei an dieser Stelle noch erwähnt, dass eine der ökologisch sinnvollsten Fleischarten das Wildfleisch darstellt. Korrekt und in freier Wildbahn geschossen belastet es unsere Umwelt kaum, und auch das Fleisch enthält weniger unerwünschte Zusätze wie Antibiotika, Stresshormone und andere Nebenerscheinungen einer nicht tiergerechten Haltung. Mehr zum Thema Wildfleisch finden Sie in unserem Blogbeitrag Herbstzeit – Wildzeit.
Sollten Sie sich durch diesen Artikel ermutigt fühlen, auch am eigenen Herd wieder mehr vegetarische Rezepte auszuprobieren, Ihnen jedoch die nötigen Ideen dazu fehlen, dann können sich hier von den vegetarischen Kreationen unserer Spitzenköche inspirieren lassen. Es kann so lecker sein, die Welt zu retten…
Quellen:
[1] The EAT-Lancet Commission on Food, Planet, Health, [Online]. Available: https://eatforum.org/. [Zugriff am Jan 2019].
[2] Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) , „Agenda 2030 – 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung,“ [Online]. Available: https://www.bmz.de/de/ministerium/ziele/2030_agenda/17_ziele/index.html. [Zugriff am Jan 2019].
[3] European Commission – Climate Action, „Pariser Übereinkommen,“ [Online]. Available: https://ec.europa.eu/clima/policies/international/negotiations/paris_de. [Zugriff am Jan 2019].
[4] M. Springmann, D. Mason-D’Croz, S. Robinson und et al., „Global and regional health effects of future food production under climate change: a modelling study.,“ Lancet, Bd. 387, Nr. 10031, pp. 1937-46, 7 May 2016.
[5] W. Willett, J. Rockström, B. Loken und et al., „Food in the Anthropocene: the EAT-Lancet Commission on healthy diets from sustainable food systems.“ Lancet, Bd. 18, Nr. 31788-4, pp. pii: S0140-6736, 16 Jan 2019.
[6] H. Dierbach, „Schnitzel nur alle 5 Tage! Eine Kommission internationaler Forscher fordert radikalen Wechsel in der Ernährung,“ 22 Jan 2019. [Online]. Available: https://deutsch.medscape.com/artikelansicht/4907597#vp_1.
[7] Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V., „Vollwertig essen und trinken nach den 10 Regeln der DGE,“ [Online]. Available: https://www.dge.de/ernaehrungspraxis/vollwertige-ernaehrung/10-regeln-der-dge/. [Zugriff am Jan 2019].
[8] World Cancer Research Fund /American Institute for Cancer Research, „Food, Nutrition, Physical Activity, and the Prevention of Cancer: a Global Perspective.,“ AICR, Washington DC, 2007.
[9] The EAT-Lancet Commission on Food, Planet, Health , „Variety as the spice of life: eating our way through the EAT-Lancet diet,“ [Online]. Available: https://eatforum.org/learn-and-discover/variety-as-the-spice-of-life-eating-our-way-through-the-eat-lancet-diet/. [Zugriff am Jan 2019].
Super tolle Idee und ganz tolles Thema und gleich mit Praxisangabwn zum umsetzen bringt sicher Erfolg, den ich uns wünsche, bin auf eurer Seite!
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