Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfügung und Patientenverfügung
In diesem Blogbeitrag möchten wir Ihnen die rechtlichen Vorsorgemaßnahmen vorstellen, die greifen, wenn Sie Ihre Angelegenheiten infolge eines Unfalls, einer lebensbedrohlichen oder ernsthaften Erkrankung oder im Alter nicht mehr wie gewohnt selbst regeln können.
Unabhängig von der jeweiligen Behandlungsphase empfehlen wir unseren Patientinnen und Patienten sich mit Formularen wie Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfügung und Patientenverfügung vertraut zu machen, und diese im besten Falle auch auszufüllen. Dies kann herausfordern, denn einerseits sind die Begrifflichkeiten komplex und führen zu Verwirrungen und andererseits bestehen Wissenslücken.
Ich gebe zu, auch bei mir selbst.
So, rutscht das Ausfüllen dieser Formulare auf meiner Agenda jedes Jahr nach unten. Meine Kollegin, Mitte 40, hat letztes Jahr eine Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung für sich ausgefüllt. Nun bin ich fest entschlossen, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist, um mich dem Ausfüllen dieser Formulare zu widmen. Denn in unserem Büro thront oben im Bücherregal der Spruch von der Koordinierungsstelle für Hospiz- und Palliativversorgung in Deutschland „Übers Sterben zu reden hat noch niemanden umgebracht…!“ Ähnlich denke ich gerade über das Treffen rechtlicher Vorsorgemaßnahmen.
Durchblick über Formulare
Zu aller erst möchten wir Klarheit über die verschiedenen Möglichkeiten der schriftlichen Willensbekundung liefern. Wie unterscheidet sich eine Vorsorgevollmacht von einer Betreuungsverfügung? Und was genau ist die Patientenverfügung? Für alle 3 Dokumente besteht die Option diese ganz frei selbst zu verfassen oder bereits vorgedruckte Formulare zu verwenden, die man mit eigenen Formulierungen ergänzen können.
Formulare und Vordrucke zum Herunterladen findet man beispielsweise beim Bundesministerium der Justiz BMJ – Formulare und Muster oder bei der Münchner Betreuungsstelle des Sozialreferats der Landeshauptstadt München Vorsorge durch Vollmacht / Betreuungsverfügung / Patientenverfügung (muenchen.info). Das Bundesministerium für Justiz bietet außerdem informative Textbausteine als Formulierungshilfen für die Patientenverfügung: Patientenverfügung (bmj.de).
Wir sind dankbar, dass wir von der Betreuungsstelle – Landeshauptstadt München (muenchen.de) reichlich mit Formularsätzen ausgestattet wurden, so dass bei uns im Tumorzentrum München auch die Möglichkeit besteht Vorsorgeformulare, die mit umfassenden Erläuterungen versehen sind, mit nach Hause zum Ausfüllen zu nehmen.
Nun zu den einzelnen Formularen/Dokumenten.
Vorsorgevollmacht
Die nächsten Angehörigen dürfen jemanden im Ernstfall gesetzlich nicht uneingeschränkt vertreten. Um eine rechtliche Betreuungssituation durch Dritte (Nicht-Angehörige oder -Bekannte) zu vermeiden, empfiehlt es sich daher für verschiedene Lebensbereiche und Angelegenheiten wie z.B. Gesundheitsfürsorge, Vermögens- und Wohnungsangelegenheiten oder Kommunikation mit Behörden bewusst zu entscheiden, ob und wem man eine Vollmacht erteilen möchte. Man sollte mindestens eine oder mehrere Personen, in die man großmögliches Vertrauen hat, benennen, die im Falle der eigenen Geschäftsunfähigkeit rechtsverbindlich für einen handeln kann. Eine Vollmacht ist sofort wirksam und gibt dem Bevollmächtigten gegebenenfalls sehr weit reichende Befugnisse [1]. In einem gesonderten Dokument, in einer sogenannten Regelung im „Innenverhältnis“, empfiehlt es sich zusätzliche Vereinbarungen über das rechtliche „Dürfen“ der bevollmächtigten Person zu treffen und zu regeln ab wann rechtlich gehandelt werden darf. [1]
Betreuungsverfügung
Für den Fall, dass jemand keine Vorsorgevollmacht erteilt bzw. die Vollmacht nur auf bestimmte Aufgabengebiete beschränkt ist, wird ein gesetzlicher Vertreter über das Betreuungsgericht bestellt. Über die Betreuungsverfügung kann man selbst festlegen, wer der Betreuer werden soll bzw. auch wer keinesfalls der Betreuer werden soll. Für das Gericht sind diese Wünsche grundsätzlich verbindlich. [1] In seltenen Fällen kann trotz einer Vollmacht eine Betreuerbestellung notwendig werden. Daher kann man in der Vollmacht eine bevollmächtigte Person gleichzeitig auch als Betreuer auswählen.
Patientenverfügung
Eine Patientenverfügung ist eine persönliche Willensbekundung für medizinische Maßnahmen, die für alle Beteiligten – Betreuer, Bevollmächtigte, Ärzte, Pflegepersonal oder Gerichte – rechtlich verbindlich ist. [1] Man kann bestimmen, welche ärztlichen und pflegerischen Maßnahmen wie künstliche Ernährung, künstliche Beatmung oder Wiederbelebungsmaßnahmen in konkreten Krankheitssituationen in der Zukunft vorgenommen oder unterlassen werden sollen, wenn man selbst nicht mehr einwilligungsfähig ist. Ratsam ist es, einzelne Behandlungswünsche möglichst konkret, aber nicht diagnosebezogen, zu benennen. Über persönliche Ergänzungen kann man zum Beispiel auch die Dauer der Intensivtherapie festlegen.
Vor dem Ausfüllen der Patientenverfügung ist es ratsam, sich selbst zu reflektieren: Was ist in der letzten Phase meines Lebens am wichtigsten für mich – Lebensdauer oder Lebensqualität, wenn beides nicht im gleichen Umfang zu haben ist? Welche Sorgen oder Ängste in Bezug auf Krankheit, künftige medizinische Behandlung und den Sterbeprozess tauchen bei mir auf? Diese Fragen erfordern Zeit, denn sie sind existenziell. Im nächsten Schritt empfiehlt es sich mit einem vertrauten Hausarzt über die möglichen Behandlungsmaßnahmen zu sprechen. Ohne Patientenverfügung muss der mutmaßliche Wille des Betroffenen ermittelt werden [1] bzw. im Zweifelsfall müssen Ärzte alle lebensverlängernden Maßnahmen ausschöpfen.
Gut zu wissen
Alle ausgefüllten Vorsorgeverfügungen können solange man geschäftsfähig (Voraussetzung für Vorsorgevollmacht) bzw. einwilligungsfähig (Voraussetzung für Patientenverfügung) ist, geändert oder widerrufen werden. Wichtig ist, dass alle Formulare selbst unterschrieben sind und im Ernstfall auffindbar sind. Eine ausgefüllte Hinweiskarte, die man am besten bei seinen Ausweispapieren trägt, kann dabei äußerst hilfreich sein. Es besteht die Möglichkeit gegen Gebühr alle 3 Dokumente beim Zentralen Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer registrieren zu lassen, damit das Betreuungsgericht und die zuständigen Ärzte Ihre Informationen schnell und verlässlich abrufen können. [1]
Auf eine weitere Möglichkeit weist der Sozialverband VdK Deutschland e.V. in seinem letzten Rundbrief hin. [2] Eine Notfalldose mit einem Notfall-Infoblatt zu allen wichtigen Angaben wie Vorerkrankungen, Allergien, Medikamentenplan, Kontaktpersonen, Patientenverfügung etc., die in der Apotheke erworben und im Kühlschrank aufbewahrt werden kann, kann in einer Notfallsituation als Kommunikationsweg dienen. Hinweis-Aufkleber am Kühlschrank und an der Innenseite der Wohnungstür sollen auf die Existenz einer Notfalldose aufmerksam machen.
Fazit
Auch wenn ich mich in keiner gesundheitlichen Notsituation befinde, habe ich nach dem Verfassen dieses Artikels mehrere Vorsorgevollmachten und eine Patientenverfügung für mich erstellt. Ich bin froh und beruhigt über meinen Entschluss. Es gibt mir ein Gefühl von Sicherheit, zu wissen, dass ich im Fall der Fälle selbstbestimmt Entscheidungen für mich getroffen habe, nach denen gehandelt werden muss. Und gleichzeitig entlaste ich die Menschen, die mir nahestehen, indem sie informiert darüber sind, welche Wünsche und Bedürfnisse ich wirklich habe. Nun kann ich meinen Fokus wieder mit einer gewissen Dankbarkeit auf die Gestaltung meines Lebens im Hier und Jetzt richten, speziell auf die Aufgaben, die mir wirklich wichtig sind im Leben.
Vielleicht wollen Sie es mir gleichtun, falls Sie Unterstützung dabei benötigen, so können Sie sich gerne an unser Team im Patientenhaus des CCC München wenden. Auch sonst gibt es einige Möglichkeiten sich Unterstützung dafür zu holen – hier einige Ideen:
Vhs München: Suche – Münchner Volkshochschule (mvhs.de)
Verein DA sein Patientenverfügung allgemein und bei schwerer Erkrankung – Hospizdienst DaSein (hospiz-da-sein.de)
Gesundheitsladen München: Patientenverfügung, Vorsorge-Vollmacht, Betreuungsverfügung (gl-m.de)
[1] Bayerisches Staatsministerium der Justiz (2023). Vorsorge für Unfall, Krankheit und Alter (21. Auflage). München: C.H. Beck. Kostenloser Download unter https://www.bestellen.bayern.de/.
[2] Sozialverband VdK Bayern e.V. (2024). Die Rettung steht im Kühlschrank. Abrufbar unter: https://bayern.vdk.de/mitgliedschaft/vdk-zeitung/die-rettung-steht-im-kuehlschrank/. Letzter Zugriff am: 10.09.2024.