Was die Hyperthermie bringt und wie sie neuerdings noch effektiver eingesetzt wird.
Für onkologische Patient:innen gibt es am LMU Klinikum individuelle Behandlungskonzepte. Chemotherapie, Strahlen oder Antikörper sind möglich, doch manchmal reichen auch diese drei Säulen der Therapie allein oder in Kombination nicht aus. Besonders bei Sarkomen kommt deswegen noch die Hyperthermie, die gezielte Überwärmung von Tumoren, dazu. KLINIKUM aktuell sprach mit Prof. Dr. Lars Lindner, Leiter des Sarkomzentrums (SarKUM), der Hyperthermie sowie der AG Liposomen am LMU Klinikum, über die Möglichkeiten dieses Verfahrens.
KLINIKUM aktuell Was ist Hyperthermie?
Prof. Lars Lindner Die Hyperthermie ist eine Methode zur gezielten Überwärmung von Tumoren mittels elektromagnetischer Wellen auf Temperaturen von 40-44°C. Diese Therapiemethode wird am LMU Klinikum seit 1986 bei bestimmten bösartigen Tumorerkrankungen in Kombination mit systemischer Chemotherapie oder lokaler Strahlentherapie eingesetzt.
KLINIKUM aktuell Welche Effekte hat das?
Prof. Lars Lindner Die Erwärmung führt zu einer verbesserten Anreicherung und Wirkungsverstärkung von bestimmten Chemotherapeutika. Durch den Wärmestress werden Hitzeschockproteine gebildet, die eine Immunantwort des Körpers gegen die Tumorzellen auslösen können. Zusätzlich kommt es zu einer vermehrten Anreicherung von Immunzellen. Die Hemmung von DNA-Reparatursystemen bewirkt eine verbesserte Strahlentherapiewirkung, da die Reparatur der durch Strahlentherapie hervorgerufenen
DNA-Schäden in den Tumorzellen unterbleibt.
KLINIKUM aktuell Bei welchen Krebsarten kommt die Hyperthermie zum Einsatz?
Prof. Lars Lindner Hauptsächlich bei Weichgewebesarkomen, seltenen bösartigen Tumoren
des Bindegewebes. Am LMU Klinikum konnte die Wirksamkeit der Hyperthermie in Kombination mit Chemotherapie gegenüber der alleinigen Chemotherapie hinsichtlich des Überlebens und des Therapieansprechens in einer randomisierten Phase III Studie nachgewiesen werden. Inzwischen ist die Hyperthermie etabliert beim lokalisierten Hochrisikoweichgewebesarkom und wird in den S3-Leitlinien empfohlen. Außerdem kommt Hyperthermie beim Brustwandrezidiv des Mammakarzinoms nach Vorbestrahlung sowie bei wiederkehrenden oder refraktären Keimzelltumoren im Kindesalter regelhaft zum Einsatz.
KLINIKUM aktuell Bei Ihnen läuft gerade eine Studie, die die Möglichkeiten der Hyperthermie noch einmal auf ein neues Level hebt. Worum geht es da?
Prof. Lars Lindner Wir haben erstmals neuartige thermosensitive Liposomen (THE001), die mit dem Chemotherapeutikum Doxorubicin beladen sind, zur Therapie von Patienten mit bösartigen Weichgewebesarkomen eingesetzt. Dabei handelt es sich um mikroskopisch kleine Vesikel mit einer hitzeempfindlichen Lipidschicht als Hülle, in der Doxorubicin eingeschlossen ist.
KLINIKUM aktuell Was bringt die Verpackung des Wirkstoffs in eine wärmeempfindliche Lipidmembran?
Prof. Lars Lindner Das in Liposomen eingeschlossene Doxorubicin zirkuliert, zunächst von der Lipidschicht abgeschirmt, im Blutkreislauf. Erst wenn die Liposomen den durch Hyperthermie erwärmten Tumor erreichen, erfolgt eine schlagartige Freisetzung des Wirkstoffs. Die mit Hilfe dieser Technologie erreichbaren hohen Wirkstoffkonzentrationen im Tumor tragen dazu bei, die Wirksamkeit von Doxorubicin, dem wichtigsten Medikament in der Sarkomtherapie, deutlich zu verbessern. Auf diese
Weise sollen auch schlecht durchblutete Tumorbereiche besser erreicht und die Entwicklung einer Chemotherapie-Resistenz vermieden werden. Dies ist durch die Verabreichung von herkömmlichem Doxorubicin aufgrund systemischer Nebenwirkungen bei höherer Dosierung nicht möglich.
KLINIKUM aktuell Sie haben im April die erste Patientin erfolgreich mit dem neuen Verfahren behandelt. Wie geht es jetzt weiter?
Prof. Lars Lindner Die klinische Entwicklung von THE001 erfolgt über die Firma Thermosome (einer Ausgründung). Bei ausreichenden Sicherheitsdaten in der Phase-I-Studie soll THE001 zukünftig in der Therapie von Patienten mit Hochrisikoweichgewebesarkomen eingesetzt werden. Zudem sind weitere Studien bei anderen Tumorentitäten auch in Kombination mit immunonkologischen Therapien geplant.
Dieses Interview erschien in der Ausgabe 03.2023 von „Klinikum Aktuell“.
Bildquelle: LMU Klinikum