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Die S3-Leitlinie Psychoonkologie mit dem Titel „Psychoonkologische Diagnostik, Beratung und Behandlung von erwachsenen Krebspatient*innen“ erschien kürzlich in der aktualisierten Version 2.0. Sie wurde von der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG), der Stiftung Deutsche Krebshilfe (DKH) und der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V. (AWMF) überarbeitet und an den aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand im Fachbereich Psychoonkologie angepasst.
Was ist Psychoonkologie?
Wie bereits in einem unserer Blogartikel ausführlicher beschrieben, ist die Psychoonkologie ein Arbeitsgebiet innerhalb der Onkologie, das sich damit beschäftigt, was eine Krebserkrankung (samt der damit einhergehenden Folgen) für die Erkrankten und deren Angehörige bedeutet und wie sie damit umgehen können. Psychoonkologische Maßnahmen sorgen für den Erhalt der Lebensqualität bzw. für deren Verbesserung bei Krebspatient:innen und deren Angehörigen.
Die Leitlinie Psychoonkologie
Um eine möglichst professionelle und auf medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen basierende Versorgung der Betroffenen zu gewährleisten, wurde 2014 ein wichtiger Meilenstein in der Psychoonkologie erreicht, indem für die psychoonkologische Diagnostik, Beratung und Behandlung eine S3-Leitlinie erarbeitet und veröffentlich wurde [1]. Diese Leitlinie für Psychoonkologie gilt für die Betroffenen (> 18 Jahre) aller bösartigen Tumore und im gesamten Verlauf der Erkrankung, sowohl stationär, ambulant sowie rehabilitativ [2].
Was sind überhaupt S3-Leitlinien?
Leitlinien werden systematisch entwickelt und fassen den aktuellen Erkenntnisstand in einem bestimmten Fachbereich zusammen. Sie beinhalten klare Handlungsempfehlungen, um Ärzt:innen und andere im Gesundheitssystem tätige Personen bei Entscheidungsfindung und Behandlung bestimmter Gesundheitsprobleme zu unterstützen. Leitlinien sind lediglich Entscheidungshilfen und somit rechtlich nicht bindend [2].
Darüber hinaus zählen Patient:innen zu den Zielgruppen einer Leitlinie. Eine spezielle Patient:innen-Leitlinie im Bereich Psychoonkologie gibt es ebenfalls, diese wird aktuell noch überarbeitet. Wir halten Sie auf dem Laufenden, wenn die aktualisierte Version erscheint.
Das System des AWMF klassifiziert S3-Leitlinien als die höchste methodische Qualitätsstufe (gegenüber den Leitlinien S1 und S2). So unterliegen beispielsweise die bei einer S3-Leitlinie einbezogenen wissenschaftlichen Studien strengeren Auswahlkriterien. S3-Leitlinien müssen zudem regelmäßig überarbeitet werden.
Neue Themen in der Leitlinie Psychoonkologie
Elf Themen wurden erstmalig in die Leitlinie aufgenommen.
Neu aufgenommene Themen im Bereich „psychoonkologische Interventionen“ sind beispielsweise: „Spezifische psychoonkologische Interventionen in der Palliativphase“, „Psychoonkologische E-Health-Interventionen“ und „Psychoonkologische Kriseninterventionen“ [3]. Es handelt sich hierbei um Behandlungen ohne Medikamente, die durch Psycholog:innen, Psychotherapeut:innen oder Sozialarbeiter:innen durchgeführt werden.
Im Beratungsalltag erleben wir immer wieder, dass Menschen mit fortgeschrittenen Tumorerkrankungen in der palliativen Endphase vor sehr speziellen Herausforderungen stehen. Aus diesem Grund finden wir es sehr sinnvoll und wichtig, dass hierzu nun ein eigenes Kapitel in der Leitlinie entstanden ist, um Betroffene und ihre Angehörigen, aber auch die Behandelnden, in dieser besonders belastenden Situation bestmöglich zu unterstützen.
Ebenfalls neu: E-Health-Interventionen
Dass auch e-Health-Angebote, wie zum Beispiel verschiedene Gesundheits-Apps, im Rahmen der Leitlinienaktualisierung genauer untersucht wurden, hilft vor allem Menschen mit Krebserkrankungen aus ländlichen Regionen, in denen die psychoonkologische Versorgung in der Regel weniger gewährleistet ist.
In unserer Krebsberatungsstelle melden sich häufig Ratsuchende mit Unterstützungsbedarf, die weit außerhalb von München wohnen. Gemeinsam mit den Betroffenen suchen wir dann wohnortnahe Lösungen, was sich bisweilen sehr schwierig gestaltet. Hier könnten fundierte Online-Angebote, die ortsunabhängig sind, eine wichtige Rolle spielen.
Medikamentöse Behandlungen
Die Kapitel zu Schlafstörungen und zu den Risiken für Neben- und Wechselwirkungen von Psychopharmaka bei Krebspatient:innen ergänzen neuerdings die sogenannte Psychopharmakotherapie, den Bereich „Medikamentöse Behandlung psychischer Erkrankungen“. Dies ist vor allem für die verschreibenden Ärzt:innen relevant.
Empfehlungen für spezielle Zielgruppen
Die überarbeitete Leitlinie beinhaltet außerdem Empfehlungen für die psychoonkologische Versorgung spezieller Patient:innengruppen. So gibt es eigene Kapitel für ältere Patient:innen, für Menschen mit Hirntumoren, junge erwachsene Krebspatient:innen und für Langzeitüberlebende [4].
Die Tumorart, die individuelle Lebenssituation (wie das Alter), sowie die aus der Behandlung entstandenen Einschränkungen sind ausschlaggebend, welche Themen für die Betroffenen relevant sind. Diese Besonderheiten sind in der psychoonkologischen Versorgung zu berücksichtigen. Bei älteren Patient:innen etwa ist das Vorhandensein anderer Erkrankungen oft ein zusätzlicher Belastungsfaktor. Bei jüngeren Patient:innen spielen vor allem Themen wie Fruchtbarkeit und Familienplanung, aber auch die berufliche Zukunft und damit einhergehend die finanzielle Situation eine zentrale Rolle. In der Krebsberatungsstelle wissen wir, wie wichtig es ist, auf die spezifische Lebenssituation und die damit einhergehenden Belastungsfaktoren gezielt einzugehen, sodass wir diese Ergänzungen der Leitlinie sehr begrüßen.
Zusätzlicher Gewinn für Patient:innen
Eine optimale, individualisierte medizinische Versorgung ist für alle Krebspatient:innen von grundlegender Bedeutung. Zusätzlich sollten Betroffene und Angehörige standardmäßig Zugang zu Unterstützungsangeboten in den Bereichen Ernährung, Sport, Komplementärmedizin, Sozialmedizin und Psychoonkologie erhalten. Dafür setzen wir uns als interdisziplinäre Beratungsstellen am Tumorzentrum des CCC München ein.
Salopp gesprochen: „Menschen sind nun mal keine Autos, die einfach in die Werkstatt gefahren werden und nach der Reparatur wieder wie vorher laufen“. Eine schwerwiegende Erkrankung wie Krebs verändert oft die gesamte Lebenssituation für die Betroffenen und ihr Umfeld. Eine psychoonkologische Intervention kann beitragen, dass sie wieder ins Gleichgewicht kommt. Eine solche Stabilisierung wirkt sich auch positiv auf den Therapieverlauf aus. Daher freuen wir uns, dass die Leitlinie Psychoonkologie auf den neuesten Stand der Wissenschaft gebracht wurde. Aktuelle Trends und Entwicklungen im Gesundheitswesen (wie e-Health-Angebote), wurden aufgenommen und haben zu konkreten Handlungsempfehlungen für unsere Tätigkeit in der Krebsberatungsstelle geführt. Ein Gewinn für alle Seiten!
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Literatur:
[1] Leitlinienprogramm Onkologie: Psychoonkologie – S3-Leitlinie zur Psychoonkologie, Leitlinienprogramm Onkologie: Psychoonkologie (leitlinienprogramm-onkologie.de), Eingesehen: 27.06.2023
[2] AWMF online: Leitlinien der AWMF für Ärzt*innen und Gesundheitspersonal | Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V., Eingesehen: 27.06.2023
[3] Ärztezeitung: S3-Leitlinie Psychoonkologie aktualisiert, S3-Leitlinie Psychoonkologie aktualisiert (aerztezeitung.de), Veröffentlicht: 05.06.2023, Eingesehen: 28.06.2023
[4] Krebsinformationsdienst, dkfz: S3-Leitlinie Psychoonkologie aktualisiert – Evidenz-Update und neue Themen, S3-Leilinie Psychoonkologie aktualisiert (krebsinformationsdienst.de), Veröffentlicht: 26.06.2023, Eingesehen: 28.06.2023