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Johanniskraut ist bei uns eine der bekanntesten und am häufigsten genutzten Arzneipflanzen. Ihre Anwendung hat eine sehr lange Tradition in der Heilkunde [1]. Im Vergleich zu vielen anderen Phytopharmaka wurde es daher schon gut erforscht. Auch in unserer Beratungssprechstunde für Komplementärmedizin und Naturheilkunde am Tumorzentrum München kommt immer wieder die Frage auf, ob Johanniskraut eine sinnvolle Begleitung zur Tumortherapie ist um Unruhe, Niedergeschlagenheit oder Schlafstörungen zu lindern. Grund genug also, dem Johanniskraut ein paar Zeilen in unserem Blog zu widmen.
Johanniskraut wächst in Europa, Westasien und Afrika vor allem an Waldrändern, Wegen und Böschungen. Die charakteristischen großen, leuchtend goldgelben Blüten produzieren ein ätherisches Öl, das Substanzen wie Hypericin und Hyperforin enthält. Diesen Stoffen wird die beruhigende und leicht antidepressive Wirkung von Johanniskraut zugesprochen. Dabei sollen sie – ähnlich synthetischer Arzneimittel – durch Hemmung der Aufnahme von Serotonin, Noradrenalin und Dopamin die Stimmung positiv beeinflussen [1].
Johanniskraut als Heilsubstanz
Johanniskraut wirkt vor allem stimmungsaufhellend (=antidepressiv). Dieser Effekt ist bisher gut für leichte bis mittelgradige Depressionen nachgewiesen. Allerdings sind positive Effekte und eventuelle Nebenwirkungen bei dauerhafter Einnahme noch unzureichend untersucht [2].
Vergangenes Jahr wurde auch über eine mögliche Schmerzlinderung bei akuten und chronischen Schmerzen berichtet [3]. Diese Ergebnisse stützen sich zunächst hauptsächlich auf Ergebnisse der Grundlagenforschung (Laborversuche). Neben einer Vielzahl anderer pflanzlicher Substanzen kann Johanniskraut bei Wechseljahresbeschwerden Abhilfe schaffen [4]. In der Dermatologie, hat Johanniskraut eine wundheilende Wirkung gezeigt [5].
Johanniskraut bei Tumorerkrankungen
Noch werden dem Johanniskraut keine echten, klinisch relevanten Antikrebseigenschaften zugesprochen, was sich jedoch ändern könnte: In Laborversuchen an Tumorzellen und bei Tieren hat Johanniskraut sehr wohl krebswachstums- und metastasenhemmende Eigenschaften gezeigt [7].
Im Rahmen einer Tumorerkrankung oder -therapie muss auf ein paar problematische Aspekte von Johanniskraut hingewiesen werden:
1. Johanniskraut hat einen wesentlichen Einfluss auf viele Medikamente, die über die Leber verstoffwechselt werden, insbesondere auf Chemotherapeutika: durch die Aktivierung des Enzyms CYP450 3A4 können einige dieser Arzneimittel dosisabhängig in ihrer Wirkung beeinflusst werden [8, 9, 10]. Es kann auch zu einer direkten erhöhten Toxizität von Antikrebstherapien kommen [11].
2. Möglicherweise verstärkt Johanniskraut die Hautreizungsnebenwirkungen einer Bestrahlungstherapie [12].
3. Johanniskraut kann die Blutverdünnung beeinflussen, weshalb es spätestens eine Woche vor einer Operation abgesetzt werden sollte [13].
Darüber hinaus gilt: Relativ häufige, jedoch harmlose Nebenwirkungen von Johanniskraut sind Kopfschmerzen, Übelkeit, Mundtrockenheit, Schläfrigkeit und Aufstoßen [14]. Seltene Nebenwirkungen sind erhöhte Sensibilität gegenüber Sonnenlicht [15] und Schädigungen der Nerven [16]. Neben den möglichen Wechselwirkungen mit Chemotherapeutika gibt es eine Vielzahl anderer Arzneimittel wie Antidepressiva [17] oder antivirale Medikamente [3], die in ihrer Wirksamkeit oder Toxizität negativ beeinflusst werden können. Auch orale Antikonzeptiva (Antibabypille) sind unter Johanniskrauteinnahme in Ihrer Wirkung unsicherer [18].
Die Einnahme und Dosis von Johanniskraut sollte unbedingt individuell mit einem fachkundigen Arzt oder Heilpraktiker abgestimmt werden. Im Allgemeinen wird Johanniskraut in Dosen von 600 bzw. 900 mg täglich eingenommen [19]. Sollten Sie Fragen zu diesem oder anderen komplementärmedizinischen Themen haben oder eine persönliche Beratung dazu wünschen, können Sie sich jederzeit gerne an uns wenden. Die Kontaktdaten finden Sie hier.
Quellen:
[1] Freie Universität Berlin, https://www.bgbm.org/de/pflanze/echtes-johanniskraut, abgerufen am 5.4.2018.
[2] Ng QX, Clinical use of Hypericum perforatum (St John’s wort) in depression: A meta-analysis. J Affect Disord. 2017 Mar 1;210:211-221.
[3] Galeotti N et alt., Hypericum perforatum (St John’s wort) beyond depression: A therapeutic perspective for pain conditions. J Ethnopharmacol. 2017 Mar 22;200:136-146.
[4] Kargozar R et alt., A review of effective herbal medicines in controlling menopausal symptoms. Electron Physician. 2017 Nov 25;9(11):5826-5833.
[5] Wölfle U et alt., Topical application of St. John’s wort (Hypericum perforatum). Planta Med. 2014 Feb;80(2-3):109-20.
[7] Brito LC et alt., An overview of anticancer activity of Garcinia and Hypericum. Food Chem Toxicol. 2017 Nov;109(Pt 2):847-862.
[8] Chrubasik-Hausmann S et al., Understanding drug interactions with St John’s wort (Hypericum perforatum L.): impact of hyperforin content. J Pharm Pharmacol. 2018 Feb 7. [Epub ahead of print]
[9] Mathijssen RH, Verweij J, de Bruijn P, et al. Effects of St. John’s wort on irinotecan metabolism. J Natl Cancer Inst. Aug 21 2002;94(16):1247-1249.
[10] Frye RF, Fitzgerald SM, Lagattuta TF, et al. Effect of St John’s wort on imatinib mesylate pharmacokinetics. Clin Pharmacol Ther. Oct 2004;76(4):323-329.
[11] Jendželovská Z et alt., Hypericin in the Light and in the Dark: Two Sides of the Same Coin. Front Plant Sci. 2016 May 6;7:560.
[12] Putnik K, Stadler P, Schafer C, et al. Enhanced radiation sensitivity and radiation recall dermatitis (RRD) after hypericin therapy – case report and review of literature. Radiat Oncol. 2006;1:32.
[13] Ang-Lee MK, Moss J, Yuan CS. Herbal medicines and perioperative care. JAMA. Jul 11 2001;286(2):208-216.
[14] Fava M, Alpert J, Nierenberg AA, et al. A Double-blind, randomized trial of St John’s wort, fluoxetine, and placebo in major depressive disorder. J Clin Psychopharmacol. Oct 2005;25(5):441-447.
[15] Lane-Brown MM. Photosensitivity associated with herbal preparations of St John’s wort (Hypericum perforatum). Med J Aust. Mar 20 2000;172(6):302.
[16] Bove GM. Acute neuropathy after exposure to sun in a patient treated with St John’s Wort. Lancet. Oct 3 1998;352(9134):1121-1122.
[17] Lantz MS, Buchalter E, Giambanco V. St. John’s wort and antidepressant drug interactions in the elderly. J Geriatr Psychiatry Neurol. Spring 1999;12(1):7-10.
[18] Berry-Bibee EN et alt., Co-administration of St. John’s wort and hormonal contraceptives: a systematic review. Contraception. 2016 Dec;94(6):668-677.
[19] Julia Borsch: Ökotest – Nur Johanniskraut aus der Apotheke kann überzeugen, Deutsche Apotheker Zeitung online, Stuttgart, 26.1.2018 (auch Quelle für unterstes Bild).