Vielleicht haben Sie als Krebspatient:in auch schon davon gehört, dass Eiweiß für Sie sehr wichtig ist. Laut Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM) wird für Krebsbetroffene sogar eine erhöhte Eiweißzufuhr empfohlen1. In dem heutigen Blogartikel möchten wir dieser Empfehlung auf den Grund gehen und Ihnen vermitteln, wie Sie Ihren erhöhten Eiweißbedarf gesund und sinnvoll decken können.
Was ist Eiweiß eigentlich?
Eiweiß, auch Protein genannt, ist neben Fett und Kohlenhydraten einer unserer drei Hauptnährstoffe, die uns Energie liefern. Unser Körper benötigt Eiweiß zum Aufbau von Körperzellen und unseres Immunsystems. Außerdem sind Proteine beispielsweise als Enzyme oder Hormone an nahezu jeder Körperfunktion beteilig 2. Eiweiß ist also für jeden Menschen ein wichtiger Nährstoff.
Wie hoch sollte die Eiweißzufuhr sein?
Für gesunde Menschen unter 65 Jahren ohne Tumorerkrankung bzw. nach abgeschlossener Tumortherapie wird eine Proteinzufuhr von 0,8 g pro kg (KG) und Tag empfohlen 3. Ab einem Alter von 65 Jahren wird der Bedarf auf 1,0 g Eiweiß pro kg (KG) und Tag geschätzt. Wenn Sie aktuell eine Tumorerkrankung haben oder sich unter Therapie befinden, sollten sie etwa 1,2-1,5 g Eiweiß pro kg Körpergewicht (KG) und Tag aufnehmen 1.
Warum benötigen Krebspatient:innen mehr Eiweiß als gesunde?
Der Tumor und die Therapie können den Proteinumsatz des Körpers aus dem Gleichgewicht bringen. Als Ursachen werden unter anderem Entzündungsprozesse und eine verminderte körperliche Aktivität vermutet1. Plötzlich wird mehr Eiweiß aus den Körperstrukturen freigesetzt als vorher, der Muskelabbau ist beispielsweise begünstigt. Auch der Einbau von neuem Eiweiß in Muskelstrukturen kann erschwert sein. Unterm Strich wird also mehr Eiweiß benötigt.
Was bedeutet 1,2-1,5 g pro kg Körpergewicht und Tag?
Ein Rechenbeispiel beantwortet diese Frage am besten:
Sie sind Krebspatient:in und wiegen beispielsweise 60 kg. Dann rechnen Sie wie folgt:
- 60 x 1,2 = 72
- 60 x 1,5 = 90
Sie sollten also etwa 72-90 g Eiweiß pro Tag aufnehmen.
Welche Lebensmittel liefern viel Eiweiß?
Es gibt tierische und pflanzliche Proteinquellen. Tierische Proteinquellen sind Fleisch und Fleischprodukte, Fisch, Eier sowie Milch und Milchprodukte. Hülsenfrüchte (z.B. Soja, Tofu, Linsen, Erbsen, Bohnen), Nüsse, Getreide und Getreideprodukte gelten bei den pflanzlichen Lebensmitteln als gute Eiweißquellen.
Wie komme ich auf meine berechnete Eiweißmenge?
Ein exemplarischer Tagesplan mit einer Eiweißzufuhr von 86 bzw. 94 g sieht beispielsweise so aus:
- Frühstück:
200 g Hüttenkäse (25 g) mit Apfel (1 g) - Mittagessen:
150 g Lachs (30 g) mit 150 g Gemüse (4 g) und 150 g Kartoffeln (3 g) - Zwischenmahlzeit:
Tasse Buttermilch (5 g) - Abendessen:
200 g weiße Bohnen in Tomatensoße (11 g) mit 30 g geriebenem Käse (8 g)
oder 250 g Chilli con Carne (20 g) mit 1,5 Semmeln (6 g) und Butter
Eine ausführliche Übersicht, die auflistet, wieviel von einem Lebensmittel gegessen werden muss, um 10 g Eiweiß aufzunehmen, steht hier für Sie zum Download bereit:
Welches Eiweiß ist besser – das pflanzliche oder das tierische?
Hier ist wie so oft in der Ernährung „Abwechslung“ das entscheidende Stichwort4.
Das tierische Eiweiß ist das mit der höheren sogenannten „biologischen Wertigkeit“ 2. Unser Körper kann die in tierischen Quellen enthaltenen Eiweißbausteine besser verwerten und leichter eigene Proteine daraus herstellen. Das liegt daran, dass die tierischen Proteine den menschlichen ähnlicher sind als die pflanzlichen.
Allerdings ist eine reine Deckung des Eiweißbedarfs aus tierischen Quellen nicht empfehlenswert. Die Basis der Ernährung sollten die pflanzlichen Lebensmittel bilden. Die tierischen Nahrungsmittel sollten nach Deutscher Gesellschaft für Ernährung (DGE) als Ergänzung dazu gesehen werden4.
Konkret bedeutet das:
Die pflanzlichen Eiweißquellen wie Hülsenfrüchte, Getreide und Nüsse können täglich und möglichst abwechslungsreich in den Speiseplan eingebaut werden. Die tierischen Eiweißlieferanten sollten in ihrer Verzehrmenge folgendermaßen begrenzt werden:
Milch und Milchprodukte wie Joghurt und Käse können Sie täglich und Fisch ein- bis zweimal pro Woche verzehren. Wer Fleisch isst, sollte nicht mehr als 300 bis 600 g4 insgesamt bzw. nicht mehr als 350 bis 500 g rotes Fleisch (Schwein, Rind, Lamm, Wild…) pro Woche5 zu sich nehmen. Für Eier wird keine konkrete Menge mehr empfohlen. Sie liefern ebenfalls sehr hochwertiges Eiweiß, sollten aber aufgrund des hohen Fett- und Cholesteringehalts des Eigelbs bewusst und in Maßen verzehrt werden (ehemalige Empfehlung der DGE waren 2-3 Eier pro Woche)4.
Wer unsicher ist, ob er seinen Proteinbedarf deckt oder Probleme damit hat, kann sich gerne für eine Ernährungsberatung an qualifizierte Ernährungsfachkräfte wie unsere Beratungsstelle wenden: Ernährung | Tumorzentrum (ccc-muenchen.de).
Wie kann ich die biologische Wertigkeit von pflanzlichem Eiweiß erhöhen?
Durch geschickte Kombination von pflanzlichen Eiweißquellen miteinander oder mit tierischen, lässt sich die biologische Wertigkeit erhöhen. Das liegt daran, dass sich bei diesen Kombinationen die Aminosäuren, also die Bausteine der Proteine, gut ergänzen und daraus dann leichter körpereigenes Eiweiß aufgebaut werden kann als aus den Aminosäuren der einzelnen Lebensmittel.6
Beispiele dafür sind:
- Hülsenfrüchte und Getreide: Linsen mit Spätzle, Bohnentopf mit Reis, Linsensuppen mit Brot, Hummus mit Brot, Tofu mit Reis oder Quinoa
- Hülsenfrüchte und Nüsse: Tofu mit Erdnusssauce, Sojajoghurt mit Nüssen
- Bohnen und Mais: Bohnen-Mais-Salat, Chilli con Carne mit Kidney-Bohnen und Mais, Mais-Tortillas mit Bohnen
- Ei und Kartoffeln: Spiegelei mit Kartoffeln (und Spinat), Spanische Tortilla
- Milchprodukte und Kartoffeln: Kartoffelpüree, Kartoffelgratin, Kartoffeln mit Kräuterquark
- Getreide und Milch: Pfannkuchen, Porridge, Haferflocken/Müsli mit Joghurt oder Milch, Brot mit Käse, Brot mit Quark-Aufstrich, Milchreis
- Hülsenfrüchte und Ei: Linsenbratlinge
Diese Rezepte sind eiweißreich:
- Warmer Endiviensalat mit Kartoffel, Fenchelstreifen und Ei – ein Rezept von Franz Keller
- Kartoffelrösti mit griechischem Joghurt und Seeteufel von Franz Keller
- Keep home, keep cooking – mit Rezept von Herbert Hintner
Weitere eiweißreiche Rezepte finden Sie auch in unserer App HealthFood, die Sie hier kostenlos herunterladen können:
- für iPhones im App Store
- für Android bei Google Play
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Literatur:
- Arends JB, H., Bischoff SC, Fietkau R et al. S3-Leitline der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin e.V. (DGEM) in Kooperation mit derDeutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie e.V. (DGHO), der Arbeitsgemeinschaft„Supportive Maßnahmen in der Onkologie, Rehabilitation und Sozialmedizin“der Deutschen Krebsgesellschaft (ASORS) und der Österreichischen Arbeitsgemeinschaft für klinische Ernährung (AKE): Klinische Ernährung in der Onkologie. Aktuel Ernährungsmed 2015; 40: e1–e74.
- Vaupel P, Biesalski HK. Proteine. Ernährungsmedizin. 5., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage ed. Stuttgart: Georg Thieme Verlag; 2018.
- Richter M, Baerlocher K, Bauer Jürgen M et al. Revised Reference Values for the Intake of Protein. Annals of Nutrition and Metabolism 2019; 74 (3): 242-250.
- Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE). 10 Regeln der DGE.
- World Cancer Research Fund (WCRF), International Agency for Research on Caner (IARC). Diet, nutrition and physical activity and Cancer: a Global Perspective. Continuous Update Project Expert Report. 2018.
- Vaupel P, Biesalski HK. Proteine. In Ernährungsmedizin, Georg Thieme Verlag, Stuttgart: Biesalski; H. K. et al. 2018; S. 145-163.
Danke für vorstehende Informationen und auch für die diversen Ausführungen beim Patiententag am Samstag.
Von Frau Amman hätte ich noch gerne gewußt, ab welchem Alter man bei 50% Schwerbehinderung in Rente gehen kann. Herzlichen Dank und Ihnen allen beste Wünsche für Sie selbst und Ihr heilsames Engagement.
Lieben Dank für die positive Rückmeldung. Ich habe Ihre Anfrage an die Kolleginnen in der Krebsberatungsstelle weitergegeben. Sie melden sich per Email bei Ihnen. Viele Grüße und alles Gute für Sie!